Explosion der Farben

Ausstellung Jerry Zeniuk

Die Begriffe sind verwirrend und nichtssagend, ob man nun von „konkreter“ oder „absoluter“, von „reiner“, „geplanter“ oder „fundamentaler“ Malerei spricht oder von der „Malerei als Malerei“.
Wie soll man auch benennen, was im Sinne der Tradition nichts darstellt, wo nichts konstruiert oder abstrahiert ist, sondern wo es allein um die Farbe selbst und ihren Auftrag auf den
Malgrund geht?
Diese Malerei ist noch radikaler als das,was wir als ungegenständliche Kunst bezeichnen. Sie greift auf keine Formen zurück, die außerhalb der Malerei liegen; sie wird allein durch die Schichtung der Farben, die Wechselwirkungen von Farbfeldern und die Form des Farbauftrages bestimmt. Das Ergebnis können ganz kompakte Flächen sein, die sich in einer Farbe (monochrom) erschöpfen, oder es können expressiv-bunte Gemälde entstehen.
Parallel zur documenta 8 zeigte die Neue Galerie in Kassel in ihrer Ausstellung „Gegenstand Malerei“ auf, daß die Wurzeln dieser selbstbezogenen Malerei schon bei Pionieren der Moderne wie etwa Corinth aufzuspüren sind.
In jener Ausstellung war auch der in New York lebende Künstler Jerry Zeniuk (Jahrgang 1945) verteten, den man als Schöpfer von Gemälden kennenlernte, die trotz aller Dynamik der Farbfelder wie ausgewogene Farbteppiche wirken.
Die Neue Galerie, die ein Zeniuk-Gemälde erwarb, dokumentiert nun in einer Auswahl das 15-jährige malerische Schaffen dieses Künstlers. Es ist eine kleine, dichte Schau, die überraschende Einblicke eröffnet. Jerry Zeniuk hat sich zwar konsequent der „Malerei als Malerei“ verschrieben, doch der Anfang und das bisherige Ende seiner Entwicklung scheinen nichts miteinander zu tun zu haben. Es ist, als wenn hier zwei verschiedene Temperamente vorgestellt würden: Den Auftakt bilden monochrome Gemälde, fast metallisch verschlossen, abweisend. Allerdings entgeht dem genauen Beobachter nicht, daß in der kompakten Einfarbigkeit eine zarte Buntheit verborgen ist.
Dann allmählich brechen die übermalten Farben hervor, setzen sich als kleine Farbfelder an der Oberfläche durch – erst weiter in gedeckten Tönen, dann heller und kräftiger werdend. Hier entstehen spannungsreiche und doch immer wieder äußerst harmonische Beziehungen zwischen den Farben. Schließlich wird die Malerei immer dünner und zugleich expressiver.
Am (vorläufigen) Ende scheinen die Farben zu explodieren. Die Farbfelder werden großflächiger und die Kontraste schärfer – als wäre die Malerei zu neuem Leben erwacht. Ein spannender Prozeß.

HNA 11. 9. 90

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