Ein Künstler aus Verneinung

Fridericianum zeigt das Werk von Mangelos

Wie wäre die Kunstdiskussion in Westeuropa in den 60er- und 70er-Jahren gelaufen, wenn man hier das Werk von Dimitrije Basicevic Mangelos (1921 – 1987) in seiner ganzen Tiefe gekannt hätte? Möglicherweise wären einige Positionen noch früher und noch radikaler formuliert worden. So aber bleibt uns nur, rückblickend das Werk des Zagreber Künstlers Mangelos zu würdigen und festzustellen, welche ungeheure Explosivität in ihm steckt.

Basicevic, der sich nur als Künstler Mangelos nannte, war Kunsthistoriker, Kritiker und Ausstellungsorganisator. Seine künstlerische Arbeit spielte sich – vor allem in der ersten Hälfte seines Schaffens – ausschließlich im Privaten ab. Vielleicht verdanken wir dieser Tatsache die unglaubliche Konsequenz und Radikalität in seinem Werk. Da er das, was er malte und schrieb, nur für sich tat und ohne irgendeinen Anspruch an die Kunst und an die Öffentlichkeit, konnte er eine Randposition beziehen, die uns heute als ein Teil des Zentrums erscheint.

Mangelos war in jeder Hinsicht radikal – auch in seiner puristischen Haltung. Die meisten seiner Bilder, vorwiegend Kleinformate, sind schwarz. Erst sind die schwarzen Rechtecke Ausdruck von Auslöschung und Trauer oder Schmerz. Dann aber wird ihm die schwarze Fläche, über die er waagerechte rote Linien zieht, zu einer Art Schultafel auf die schreibt. Nicht nur die Erinnerung an die Schulzeit mag das befördert haben, sondern auch die Tatsache, dass Mangelos anfangs in alte Schulhefte schrieb. Später kamen Rot-Weiß und Gold hinzu.

Mangelos war ein Künstler der Verneinung. Er hatte keine Kunst im Sinn und wenn doch, dann nur als Anti-Kunst. Dazu gehörte, dass er nicht Papiere oder Leinwände kaufte, um sie zu bemalen. Er benutzte ausschließlich vorhandene und beschriebene oder bedruckte Bücher, Bilder und Kataloge als Malgründe. Noch
bevor der Österreicher Arnulf Rainer mit seinen Übermalungen begann, überdeckte Mangelos Blatt für Blatt mit schwarzer (oder roter) Farbe, löschte also das Vorhandene aus, um neu zu beginnen:

Bruch mit der Tradition, Rückkehr zum Punkt Null oder, wie er sein erstes Projekt nannte, „tabula rasa“. Mangelos war ein Maler. Noch mehr war er aber ein Denker und Bilderpoet, der aus der Verneinung der Kunst Sprache und Bild neu aufbaute und verschmolz. Um ihm und seiner Kunst richtig auf die Spur zu kommen, genügt es nicht, die Reihen schwarzer Bilder wahr zu nehmen und abzuhaken. Man muss vielmehr. will man am Kern seines Werks nicht vorbeilaufen, Bild für Bild abschreiten und die oft verborgenen Sprachbotschaften lesen. Dann wird man sehen, wie er erst das Nichts herstellt, um sich anschließend in Werkreihen das Alphabet, die Worte, die Sätze (Manifeste) und Zeichen neu zu erarbeiten. Je stärker man sich darauf einlässt, desto spannender wird es. Dann wird aber auch der spielerische Charakter offenbar Die Ausstellung kann zum Abenteuer werden.

HNA 19. 5. 2004

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