Dem Beuys-Bus gefolgt

Mit 22 Jahren begründete er eine der wichtigsten deutschen Avantgarde-Galerien. Als 55jähriger nun kommt er als Ausstellungsleiter nach Kassel: René Block.

Seine Berufung zum Leiter der Kunsthalle Museum Fridericianum in Kassel war eine echte Überraschung. Eine nicht weniger große präsentierte René Block bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in der documenta-Stadt. Da enthüllte er nämlich, daß er mit Kassel aufs engste durch die Kunst verbunden ist: Der graue VW-Bus, der zu der Beuys-Installation „The Pack“ (Das Rudel) in der Neuen Galerie gehört, stammt ursprünglich aus seinem Besitz. Mit ihm fuhr er, bevor Joseph Beuys ihn in seine Arbeit einbaute, Bilder und Objekte durch die Lande. Einmal parkte er auch mit dem Gefährt, das randvoll mit Kunst für eine Ausstellung in Prag gefüllt war, zur documenta 1968 unmittelbar neben dem Fridericianum.

Und von Beuys kam René Block auch ganz schnell zu documenta-Leiterin Catherine David. Wenn sie ihre Gesprächs- und Diskussionsreihe „100 Tage – 100 Gäste“ parallel zur Ausstellung inszeniere, dann setze sie das fort, was Joseph Beuys 1977 unter der Honigpumpe mit seiner Freien Internationalen Universität (FIU) vor Augen gehabt habe, meinte er.

René Block, das merkte man sehr schnell in dem Gespräch, hatte zwar viele Jahre den Mittelpunkt seines Wirkens in Berlin – erst als Galerist, dann beim Deutschen Akademischen Austauschdienst – gehabt und war dann etliche Jahre als freier Ausstellungsmacher weltweit tätig, doch wenn er jetzt zum 1. Juli für viereinhalb Jahre nach Kassel kommt, betritt er vertrauten Boden. Mit Arnold Bode, dem documenta-Gründer, fühlte er sich freundschaftlich verbunden. Und durch die documenta ist Kassel für ihn ein Ort, an dem Innovationen Tradition haben.

Die documenta sieht er auch als den Bezugspunkt für seine Arbeit an. Dabei will er nach dem Vorbild der portugiesischen Stadt Porto mit seinem Kunsthallen-Programm eine Doppelbrücke schlagen: Die eine Ebene soll relativ bodennah sein und regional und national ausgerichtet werden; die andere Ebene könne höher geschlagen werden und die internationale Kunst berücksichtigen.

Wohl hat Block Vorstellungen, welche Ausstellungen er für Kassel planen könnte, doch sein konkretes Programm will er aus der Kenntnis der Stadt und der kommenden documenta entwickeln: Er will keine Projekte nach Kassel bringen, die überall und nirgends Sinn machen.

Durch seine Ausstellungen der 60er Jahre ist Block eine Legende im Kunstbetrieb. Doch bei seiner Umschreibung der aktuellen Situation dokumentierte er, daß er sich nach wie vor in der Spitze der Bewegung befindet. Die Avantgarde, die vor 30 Jahren um ihre Durchsetzung kämpfen mußte, sieht er als ein abgeschlossenes Kapitel an. Dennoch gibt es für ihn eine äußerst lebendige und interessante Nachhut. Auch die will er vorstellen.

René Block wird als Ausstellungsleiter im Fridericianum über einen Etat von rund 600 000 Mark verfügen können. Das Fridericianum wird gelegentlich, so wurde vom documenta-Aufsichtsrat festgelegt, auch für Ausstellungen der Staatlichen Museen Kassel zur Verfügung stehen.

HNA 28. 5. 1997

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