Das Land sowie Stadt und Landkreis Kassel kämpfen um die Unesco-Ehren Aufnahme soll spätestens 2015/16 erfolgen
Nach getaner Arbeit ruht sich der griechische Halbgott Herakles, den die Römer Herkules nannten, auf seiner Keule aus. Der hessische Landgraf Karl entschloss sich 1713, mit einer überlebensgroßen Statue (9,20 Meter) des heldenhaften Herkules den neuen Bergpark und das Oktogonschloss zu bekrönen. Von dort oben, aus einer Höhe von rund 590 Metern, sollte Herkules die Berghänge des Habichtswaldes, das Fuldatal und die einige Kilometer entfernt liegende Residenzstadt Kassel beherrschen. Er sollte ein Sinnbild des Fürsten sein, der seine Machtfülle darstellt und seinen Untertanen seinen Schutz verspricht. Nun soll Herkules für die Stadt, die mittlerweile nahe an den Park herangewachsen ist, kämpfen. Nicht auf kriegerische Art, aber entschieden. Er soll als Leitfigur dafür sorgen, dass er und der von ihm beherrschte Bergpark mit dem Schloss Wilhelmshöhe sowie die Karlsaue mit der Orangerie und das im Landkreis gelegene Schloss Wilhelmsthal auf die Weltkulturerbe-Liste der Unesco gesetzt werden. Nachdem man sich in Kassel anfangs Hoffnungen gemacht hat, im Jahre 2008 könnte über die Bewerbung entschieden werden, bereitet man sich nun auf einen Zeitraum bis 2015/16 vor. Der Grund für die Verschiebung: Die Unesco-Gremien wollten eine Inflation von Welterbestätten vermeiden und zudem verhindern, dass vornehmlich europäische Bauten und Anlagen in die Liste aufgenommen werden. So verlängerte sich für Kassel die Warteschleife. Für die in der Stadt und im Land Verantwortlichen kam die Verschiebung nicht ungelegen, kann doch die Bewerbung jetzt besser vorbereitet werden. Die wichtigste Änderung, die vorgenommen wurde, war die Ausweitung des Bewerbungsprojekts, denn ursprünglich sollte nur der Bergpark Wilhelmshöhe ins Rennen geschickt werden. Allerdings wäre der zwischen 1701 und 1717 angelegte, 240 Hektar große Bergpark allein der Ehren wert. Zur Gestaltung hatte Landgraf Karl in Rom den Italiener Giovanni Francesco Guerniero (1665-1745) engagiert, der ganz im Sinne des Barock eine kunstvolle Anlage entwarf, deren Höhe- und Mittelpunkt das Oktogonschloss auf der Bergkante und die Kaskadenanlage werden sollten. Guerniero hatte ursprünglich die Kaskadenanlage zweimal größer gedacht. Aber auch so wurde es vielleicht das Grandioseste, was irgendwo der Barock in Verbindung von Architektur und Landschaft gewagt hat, wie der Kunsthistoriker Georg Dehio meinte. Der Landgraf hatte zu wenig Geld, Guerniero machte Fehler bei der Wahl des Baumaterials und bei der Berechnung der Statik. Die Folgen hat das Land als Erbe, vertreten durch die Verwaltung Schlösser und Gärten, zu tragen: Der Herkules und die Kaskaden sind immer wieder baufällig. Faszinierend an dem Park, der Ende des 18. Jahrhunderts nach englisch-romantischen Vorbildern in einen Landschaftsgarten umgestaltet wurde, ist die Verbindung von Wald, Garten, Wasserspielen und antik wirkenden Bauwerken. Der Übergang vom Park zum Habichtswald ist kaum zu spüren. Auf der vom Herkules in die Stadt führenden Achse steht das von 1786 bis 1798 erbaute, dreiflügelige Schloss Wilhelmshöhe, in dessen Mitteltrakt heute die Gemäldegalerie Alte Meister und die Antikenabteilung untergebracht sind. Im Weißensteinflügel wurden historische Schlossräume rekonstruiert. Nahezu gleichzeitig mit dem Schloss wurde etwas oberhalb im Bergpark (ab 1793) im Stil eines mittelalterlichen, ruinenhaften Bauwerks die Löwenburg errichtet. Architekt war wie beim größten Teil von Schloss Wilhelmshöhe Heinrich Christoph Jussow, der seinen Lehrmeister Simon Louis du Ry verdrängt hatte.
HNA 4. 9. 2003