Kassel will auf die Unesco-Welterbe-Liste. Zusammen mit dem Park Wilhelmshöhe sollen die Karlsaue und der Schlosspark Wilhelmsthal 2008 das Gütesiegel der Unesco erhalten.
Es ist, als wäre die documenta-Stadt nach dem Jahrtausendwechsel aus dem Grimmschen Dornröschenschlaf erwacht. Vorbei scheint die Zeit zu sein, in der man sich darüber beklagte, die Schönheiten und Schätze würden nicht gebührend wahrgenommen. Gleich doppelt greift man jetzt nach internationalen Ehren: 2008 sollen der Bergpark Wilhelmshöhe und möglicherweise die Karlsaue und der Schlosspark Wilhelmsthal in die Weltkulturerbe-Liste aufgenommen werden und 2010 will Kassel Kulturhauptstadt Europas werden. Die Bewerbung um die Ehre einer Kulturhauptstadt weckt allerdings bei vielen Zweifel. Angesichts der Tatsache, dass die Stadt nicht einmal drei Prozent ihres Haushaltes für kulturelle Aufgaben einsetzt, ist nicht zu erkennen, wie Kassel den Wettbewerb der Städte für sich entscheiden kann. Frühes Kompliment Ganz anders sieht es bei dem Bemühen um die Aufnahme in die Welterbeliste der Unesco aus: Dass der Bergpark Wilhelmshöhe mit seiner Verbindung von gestalteter Natur und Architektur zu den großen Ausnahmeerscheinungen in Europa zählt, steht seit langem fest. Schon Georg Dehio schrieb in seinem 1900 begründeten Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler: Großartige Anlage in enger Verbindung von Architektur und Landschaft am zunächst sanft, dann steil ansteigenden Osthang des Habichtswaldes. Die Kühnheit der ursprünglichen, bis Ende des 17. Jh. zurückreichenden Konzeption hat in Europa nicht ihresgleichen. Die detailreiche Beschreibung liest sich wie ein Text zur Erläuterung einer Anlage, die Teil des Weltkulturerbes ist. Warum also überhaupt die Bewerbung um die Aufnahme in die Unesco-Liste? Weil man sich von dem Eintrag mehr Ruhm und mehr Touristen erhofft. Ansonsten bringt der Eintrag nicht viel. Im Gegenteil, das Gütesiegel Unesco-Welterbe, das bisher weltweit 690 Objekte erhalten haben, erfordert im Vorfeld große (auch finanzielle) Anstrengungen zur Erfüllung der Bedingungen und ist auch mit strengen Auflagen verbunden. Die Weichen gestellt Bevor die Diskussion um das Weltkulturerbe in Kassel richtig begann, waren die Weichen schon gestellt: Bereits 1998 wurde eine verbindliche Vorschlagsliste verabschiedet, auf der alle Objekte eingetragen sind, über deren Tauglichkeit als Weltkulturerbe bis 2010 entschieden werden soll. Laut dieser Liste soll im Jahre 2008 die aus Kassel kommende Bewerbung beraten werden. Vorgeschlagen worden ist erst einmal der Barockpark Wilhelmshöhe, der im frühen 18. Jahrhundert wesentlich nach den Plänen von Giovanni Francesco Guerniero entstand. Allerdings wird derzeit intern ernsthaft diskutiert, ob der Vorschlag nicht erweitert und die im gleichen Jahrhundert angelegten landgräflichen Parkanlagen Karlsaue (mit Orangerie) und Wilhelmsthal (in Calden, Landkreis Kassel) einbezogen werden sollten. Vier Gründe gäbe es für diese Erweiterung: Das zuständige Unesco-Komitee legt zunehmend Wert darauf, Ensembles in die Liste aufzunehmen und den Zusammenhang von Kultur und Natur erkennen zu lassen. Außerdem wären die Chancen gering, in einem weiteren, späteren Verfahren die beiden anderen Parks auf die Liste zu stellen. Weiterhin könnte man durch die Paket-Lösungen die Dimensionen der Residenzanlagen im 18. Jahrhundert dokumentieren. Und schließlich sind die Parks durch Achsen (Rasenallee und Wilhelmshöher Allee) miteinander verbunden. Es wäre übrigens nicht das erste Mal, dass mehrere, von einander getrennte Anlagen zu einem Weltkulturerbe-Objekt erklärt würden. Auch die Klassikerstätten in Weimar bestehen aus einzelnen Inseln. Ähnliches gilt für die Lutherstätten. Schlösser und Gärten Die Federführung bei dem Projekt liegt übrigens bei der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen, in deren Obhut sich die drei Anlagen befinden. Deren Direktor Kai Mathieu weiß aber, wie er auf Anfrage sagte, dass er auf die Mitarbeit der Stadt und des Landkreises Kassel angewiesen ist – nicht nur weil alle drei Gärten auf die Wasserversorgung aus dem Umland angewiesen sind, sondern weil vor der Fertigstellung der Bewerbungsunterlagen bis zum Jahre 2006 auch Ungereimtheiten beseitigt werden müssen. Beispielsweise müsste für den Bergpark Wilhelmshöhe ein stimmiges Verkehrskonzept entwickelt werden, das möglicherweise den Individualverkehr mitten durch den Park unterbindet. Aber nicht nur amtliche Unterstützung braucht die Schlösser-Verwaltung für eine erfolgreiche Bewerbung, die vom Land Hessen über die Kultusministerkonferenz an die Unesco weiter gereicht wird. Die Bewerbung, so ist die Erfahrung, muss auch in der Öffentlichkeit breite Förderung erfahren. Ein erster Anfang ist möglicherweise durch die Gründung einer Initiativgruppe gemacht, deren Sprecher Hardy Fischer (Tel. 0561 – 3161454) ist. Allerdings ist, wenn ein Objekt auf der Vorschlagsliste steht, dessen Erhebung zum Weltkulturerbe noch nicht sicher. So können Beeinträchtigungen durch Verkehrsadern oder Bausünden dazu führen, dass ein Objekt nicht aufgenommen wird. Der Magdeburger Dom wurde beispielsweise nach Auskunft der Deutschen Unesco-Kommission nicht berücksichtigt. So darf nicht übersehen werden, dass an entscheidender Stelle Prof. Michael Petzet vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege sitzt, der beim Umbau von Schloss Wilhelmshöhe entschieden gegen die derzeitige Dachlösung argumentierte. Petzet ist derzeit Präsident des internationalen Denkmal-Gremiums Icomos, das die Unesco gutachterlich bei der Entscheidung über Weltkulturerbe-Objekte einsetzt. Jedoch herrscht bei den Verantwortlichen die Meinung vor, dass ein solches Detail-Votum nicht ins Gewicht fallen müsse.
HNA 28. 2. 2001
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