Politik als Basis der Kunst

Roger M. Buergels Konzept in Bezug auf die Ausstellungsgeschichte – Auftakt einer zehnteiligen Serie

KASSEL. Wie kein anderer documenta-Leiter vor ihm plant Roger M. Buergel die am 16. Juni beginnende Ausstellung aus dem Blickwinkel der Vermittlung. Durch die Form, in der die Werke der eingeladenen Künstler einander zugeordnet werden, soll der Zugang zu ihnen erleichtert werden.
Die Vermittlung ist aus Buer\-gels Sicht deshalb so wichtig, weil die gezeigten Arbeiten für die Ausstellung aus den unterschiedlichsten künstlerischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen (Kontexten) herausgelöst werden müssen. Da ihr natürlicher Rahmen verloren geht, sieht es der künstlerische Leiter der documenta\x0f12 als seine Aufgabe an, durch die Anordnung der Werke neue Verbindungslinien herzustellen.
Aber wieso sind diese Zusammenhänge so wichtig? Weil es Roger Buergel und seinem Team nicht bloß um künstlerische Formen oder ästhetische Erfahrungen geht, sondern auch um existenzielle Fragen. Ihn interessiert zu erfahren, mit welchen Mitteln und in welchen Formen Künstler auf gesellschaftliche Situationen und Entwicklungen reagieren.
Frühzeitig legte Buergel offen, mit welchen Fragestellungen er die Diskussion im Vorfeld der documenta führen und wie er zur Auswahl der Arbeiten gelangen will: In Frageform formulierte er drei Leitmotive:
1) Was ist das bloße Leben?
2) Ist die Moderne unsere Antike?
3) Was tun? (Bildung)
Selbst das 50 Kino-Abende umfassende Filmprogramm der documenta ist anhand der drei Fragen zusammengestellt worden. Das heißt: Die Leitmotive bilden die Basis, auf der die Ausstellung konzipiert wird. Oder zugespitzt formuliert: Die Politik wird zu einer Plattform der documenta\x0f12.
In einem Faltblatt zur bevorstehenden documenta spricht Buergel voraussetzungslos von der documenta als einer „politischen Ausstellung”. Das ist in dieser Direktheit ungewöhnlich. Die Besucher sollen, wie er an anderer Stelle schreibt, die ausgestellten Werke nicht wie in einer abgeschlossenen Vitrine erfahren, sondern sollen sich in der Auseinandersetzung mit den Arbeiten als Teile einer Welt fühlen, in der sie Verantwortung übernehmen und gestalten können.
Plattform-Diskussionen
Damit nimmt Buergel eine Entwicklung auf, die 1997 durch Catherine David angestoßen und Okwui Enwezor fünf Jahre später weiter getragen wurde. Während die Plattform-Diskussionen von Enwezor aber nicht direkt auf seine Ausstellung ausstrahlten, stellt Buergel eine direkte Verbindung zu seinen ins Politische zielenden leitmotivischen Fragen her.
Daraus ergibt sich wie von selbst die Frage, wie es eigentlich um das Verhältnis von documenta und Politik stehe. Zwingend wird diese Frage schon deshalb, weil zumindest die ersten drei Ausstellungen als reine Bekundigungen der abstrakten und unpolitischen Kunst galten und weil es später mehrfach Kritik an der angeblich unpolitischen documenta gab.
In einer zehnteiligen Serie wollen wir nach Antworten suchen und gleichzeitig damit zur kommenden Ausstellung hinführen.
Nächste Woche folgt: Abstraktion und die Freiheit der Kunst
HNA 2. 2. 2007

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