Das Museum holt alle ein

Die Kunsthalle Fridericianum würdigt den Fluxus-Künstler Arthur Köpcke

KASSEL. Im November vorigen Jahres wäre der aus Hamburg stammende Künstler Arthur Köpcke 75 Jahre alt geworden. Die Kunsthalle Hamburg würdigte zu dem Termin den Mann, dessen Name im Schatten der Fluxus-Künstler wie Wolf Vorstell, Nam June Paik oder Joseph Beuys verblasste, der nur 48 Jahre alt wurde und fast vergessen war. Dass René Block die Hamburger Ausstellung nach Kassel übernahm, war fast Ehrensache. Schließlich hatte Block in seiner Zeit als Galerist Köpckes Arbeiten wiederholt gezeigt. Zudem hatte er in seine Kasseler Fluxus-Ausstellungen Bilder und Objekte von Köpcke aufgenommen. Trotzdem erschöpft sich die Ausstellung nicht in bloßer Erinnerungsarbeit. Die Sprach- und Gedanken-Bilder sowie Collagen von Arthur Köpcke aus den 60er-Jahren dokumentieren vielmehr, dass damals manches erprobt wurde, was heute bei einer jüngeren Künstler-Generation als neu und experimentell gefeiert wird. Köpckes Bilder, so macht Susanne Rennert, die Kuratorin der Ausstellung, klar, verknüpfte in seinen Kompositionen Malerei mit Partituren, konkrete Texte mit Codes und Anti-Kunst mit Kunst. Die Fluxus-Bewegung war ihrem Namen getreu angetreten, um zu zeigen, wie alles im Fluss ist. Sie wollte das in sich abgeschlossene Bild überwinden und suchte die Aktion und die Verwandlung. Köpcke, der seit 1958 in Kopenhagen lebte und zeitweise eine Galerie betrieb, kannte führende Avantgardisten und ließ sich von ihnen anregen. Am stärksten hat Daniel Spoerri sein Frühwerk beeinflusst. Auf der anderen Seite inspirierte Köpcke Künstler wie Paik. Doch Fragen der Originalität und Individualität waren für Köpcke nicht wichtig. Am liebsten hätte er den Künstler als Autor oder Schöpfer beseitigt. Auch war ihm nicht wichtig, mit seinen Werken ins Museum zu kommen. Bei einer Fluxus-Aktion in Köln ließ er Künstler und Besucher Taschentücher auf Holzbalken kleben und diese signieren, ein Versuch, gegen die überlieferte Kunst anzulaufen. Das Museum aber holt alle ein. So sind die Holzbalken mit den Taschentüchern in eine Sammlung gekommen und werden nun auch in Kassel gezeigt. Die Ausstellung ermöglicht einen Einblick in den vielfältigen Kosmos von Köpcke, der sich mit den Mitte der 60er-Jahre gemalten Collagen eine eigenständige Position eroberte. Die bunten Patchworkbilder wenden sich direkt an den Betrachter, um ihn mit ihrer Mischung aus Bildsprengung, Pop-Art, Verschlüsselung und Rätselaufgabe zur Auseinandersetzung herauszufordern. Art is Work heißt es im Untertitel der Ausstellung. Das meinte Köpcke ernsthaft: Kunst ist und macht Arbeit, sie gibt Rätsel auf. Durch diese provokante Offenheit entsteht eine poetische und ironische Bildästhetik. Die noch spielerischer wirkt, wenn Köpcke seine Leinwände wie Schullandkarten präsentiert. Die äußerst anregende Ausstellung wird ergänzt durch zwei Ausstellungen junger Kunst: Spielen mit geladenem Gewehr gibt Einblick in zeitgenössische pakistanische Kunst. Und Adaptionen versucht eine Vernetzung von Kunst und Architektur.
HNA 27. 3. 2004

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