Die gestreiften Räume

Der französische Künstler Daniel Buren hat seine Sprache aus einfachsten Mitteln entwickelt. Heute wird er 60 Jahre alt.

Gewiß gehört Daniel Buren zu den internationalen Künstlern, die relativ bekannt sind, deren Werk lange Zeit aber von der Öffentlichkeit unterschätzt oder gar nicht beachtet wurde. Dem aus Boulogne sur Seine stammenden und heute in Paris lebenden Buren kommt diese Fehleinschätzung entgegen: Er plaziert seine Werke im Raum und zieht sich in die Anonymität zurück. Das gelingt ihm gut, weil er über weite Strecken seines Wirkens mit Stoffbahnen oder Fahnen arbeitete, die sich von gewöhnlichen gestreiften Markisen kaum unterschieden. Eine Handschrift im traditionellen Sinne hat er nicht. Doch die konsequente Anwendung seines einmal gefundenen Formprinzips führte dazu, daß die bunten, unpersönlichen Streifen zu seiner unverkennbaren Signatur wurden.
Am Anfang mag dahinter die Idee von der Radikalisierung der Malerei gestanden haben: Das Bild wird auf eine Abfolge von gleichmäßigen Streifen reduziert und dabei dem gleichgesetzt, was die Industrie als Dekorationsstoff hervorbringt. Damit schien die Malerei als Mittel zur Erzählung oder auch emotionalen Gestaltung aufgehoben.
Doch je länger Buren mit seinen Streifenbildern arbeitete, desto entschiedener löste er sich von der Wand und zielte in den Raum. Systematisch begann er, mit Elementen aus Streifenbildern Räume zu markieren. Die Architektur und die Stadtplätze wurden von ihm erobert. Im Jahre 1986 etwa verwandelte Buren den französischen Pavillon auf der Biennale von Venedig in eine Abfolge von gestreiften Räumen. Vier Jahre zuvor hatte er anläßlich der documenta im Fridericianum die Gestalt der Fenster aufgenommen und sie in Wandbilder aus gestreiftem Glas übersetzt, die wie Projektionen erschienen. Und bei der Ausstellung „Skulptur Projekte“ im vorigen Sommer in Münster verwandelte er den Himmel über einer Einkaufsstraße in ein Meer aus rot-weißen Wimpeln.
Anfangs höchst umstritten, mittlerweile aber viel bewundert war und ist Burens monumentale Platzgestaltung im Innenhof des Palais Royal in Paris, die aus gestreiften Säulen- und Säulenstümpfen besteht. Ähnlich viel Wirbel entfachte das Vorhaben, Buren mit einer Neugestaltung des Rollplatzes in Weimar für das Kulturstadtjahr 1999 zu gewinnen. Der Franzose hat dafür ein sehr feinsinniges und spielerisches Konzept entwickelt, das ein regelmäßiges Raster aus Stelen und Quadern mit weißen und farbigen Streifen vorsieht. Für Weimar würde die Verwirklichung einen dauerhaften Gewinn bedeuten.
HNA 25. 3. 1998

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