Der niederländische Künstler Rob Scholte (Jahrgang 1958) gab seine Professur an der Kasseler Kunsthochschule auf. Er reagierte damit auf den Vorwurf, zu selten präsent zu sein.
KASSEL Er ist ein Alleskönner und stieg schnell zum Star auf, weil er es verstand, alles zu malen und zugleich diese Malerei zu ironisieren: 1987 machte Rob Scholte in der documenta auf sich aufmerksam;. ein Jahr später waren seine Bilder im Kasseler Kunstverein zu sehen; und 1990 bestückte er den niederländischen Pavillon auf der Biennale von Venedig mit seinen Werken. Bald hatte er mehrere Ateliers in verschiedenen Ländern und arbeitete an einem Großprojekt in Japan.
So war es kaum vorstellbar, daß er dem Ruf aus Kassel an die sich erneuernde Kunsthochschule (innerhalb der Gesamthochschule) folgen würde. Doch Scholte war an Kassel interessiert und nahm im Wintersemester 1993 seine Lehrtätigkeit auf. Er ließ sich zwar wie die meisten seiner von auswärts berufenen Künstler-Kollegen nicht in Kassel nieder, doch wenn er in Kassel war, arbeitete er mit den Studenten intensiv. So war er bald als Lehrer und Anreger gefragt – so sehr, daß er zuletzt 40 Studenten zu betreuen hatte.
Doch genau dadurch entstand sich der Konflikt, der nun zur Trennung führte: Weil der Kunstfachbereich insgesamt und seine Studenten insbesondere viel von Rob Scholte erwarteten, war der Frust um so größer, wenn er ausblieb. Verschärfend kam hinzu, daß das Land Hessen Rob Scholte nicht, wie es sonst üblich ist, als Professor verbeamtet hatte, sondern ihm nur eine zeitlich befristete Angestellten-Professur angetragen hatte. Anfangs hatte der Maler sich damit zufrieden gegeben, später aber wollte er die Gleichstellung mit den anderen. Die aber blieb aus.
Möglicherweise liegt darin eine der Ursachen dafür, daß für Scholte andere Arbeiten wichtiger wurden als die Kasseler Lehrtätigkeit. Kurz, seine Wege führten immer seltener in die documenta-Stadt. Im kürzlich beendeten Wintersemester, so Dekan Prof. Friedrich Salzmann, sei Scholte gerade einmal im Dezember in Kassel gewesen. Trotzdem habe man ihn im Fachbereich Kunst der Kasseler Uni hoch geschätzt und ihn halten wollen. Gerade vor dem Hintergrund seines schweren persönlichen Schicksals – 1994 verlor Scholte bei einem Anschlag, der offenbar ihm nicht galt, beide Beine – habe man versucht, ihm entgegenzukommen.
Ähnliches erklärt die Hochschulleitung: Bei einem Vier-Augen-Gespräch habe Uni-Präsident Prof. Hans Brinckmann Alternativen angeboten. So hätte Scholte Urlaub nehmen können, wenn er gewollt hätte, um später seine Unterrichtsverpflichtungen wieder aufzunehmen. Die Darstellung des Informationsdienstes Kunst liege jedenfalls daneben. Dort wurde nämlich behauptet, Scholte sei mit seinem Rollstuhl „in die Chefetage geschoben und zur Vertragsauflösung gedrängt worden“. Davon könne keine Rede sein.
Nach Auskunft von Prof. Salzmann war ein Dilemma entstanden: Einerseits war Scholte zu einer regelrechten Attraktion geworden, zu einem Künstler-Professor, der mit „bewunderungswürdiger Energie“ arbeitete, andererseits vermißte man ihn immer häufiger in seinem Atelier und Berufungskommissionen. So setzte ihm Ende vergangenen Jahres der Fachbereichsrat Kunst eine Erklärungsfrist bis 5. Januar, in der er sich zur Erfüllung seiner Verpflichtungen bekennen sollte. Statt einer Antwort kam Rob Scholtes Kündigung. Der Verlust war damit endgültig.
Das ist für die Kasseler Universität der erste Fall, daß ein Lehrverhältnis so zu Ende ging. Sicher wäre der Konflikt nicht so schnell über die Bühne gegangen, hätte Scholte den Beamtenstatus gehabt. Aber angesichts der Bemühungen, die Professoren stärker einzubinden, könnte der Fall Modellcharakter gewinnen
HNA 6. 3. 1998