Plakat und Postkarte als Waffen

Auf der Grenzlinie zwischen Politik und Kunst bewegt sich seit über 25 Jahren Klaus Staeck. Der in Heidelberg lebende Anwalt und Grafiker wird heute 60.

Die Hoffnung, daß Kunst die Welt verändern könne, hegen nur wenige. Daß mit künstlerischen Mitteln aber direkte Wirkung erzielt werden kann, hat Klaus Staeck bewiesen. Seine Plakate und Postkarten haben für Unruhe gesorgt, haben Widerspruch herausgefordert und haben dazu geführt, daß sich Politiker hinreißen ließen, Ausstellungen abzusagen oder Plakate abzureißen. Was kann sich ein Künstler mehr wünschen als daß seine Provokation angenommen wird?
Der aus der Nähe von Dresden stammende Klaus Staeck ist von seiner Ausbildung her Jurist und Anwalt. Die Juristerei verhalf ihm nicht nur zu einer klaren und scharfen Denkungs- und Redensart, sondern auch zu jenem Rüstzeug, das ihn davor bewahrte, sich mit seinen satirisch-politischen Attacken seinen Gegnern auszuliefern. Klaus Staeck ist stolz darauf, daß viele Verfahren gegen ihn angestrengt wurden, er aber keines richtig verloren hat. Selbst das Duale System war erfolglos, als er eine Postkarte in Umlauf gebracht hatte, auf der zu lesen war: „Der größte Schwindel seit der Farbe Grün – Der Grüne Punkt“.
Als Künstler ist Klaus Staeck Autodidakt. Antriebsmotor für seine grafische Arbeit war (und ist) sein politisches Engagement – für die Demokratie und die Chancengleichheit. Daß ihm bei seiner satirisch-kritischen Arbeit vor allem immer wieder die CDU und die Arbeitgeber ins Visier gerieten, führte zu eindeutigen Feind-Verhältnissen. Zahlreich sind folglich die Versuche, Staeck-Ausstellungen zu verhindern. Und jede dieser Attacken nimmt der Grafiker als Erfolgsbestätigung. Er weiß, daß er wahrgenommen wird.
Staecks Kunst besteht darin, einprägsame Bilder und Worte so zusammenzubringen, daß sie sich als Provokationen festhaken, indem sie vordergründig das Gegenteil von dem behaupten, was sie meinen. So etwa, wenn es auf einem Plakat von 1972 heißt: „Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen.“ Oder eines seiner jüngsten Werke: „Ein Volk, das solche Boxer, Fußballer, Tennisspieler und Radfahrer hat, kann auf seine Universitäten ruhig verzichten.“
Klaus Staeck macht sich keine Illusionen, aber im Grunde ist er doch ein Aufklärer, einer, der darauf setzt, mit seinen satirischen Pfeilen Denk- und Umkehrprozesse in Gang zu setzen. Viele dieser Arbeiten sind parteilich und werden von Staecks politischen Gegnern nur als Waffe verstanden. Seine Parteigänger und künstlerischen Freunde hingegen sehen in erster Linie seine große Kunst, Text-Bildmontagen zu schaffen, die sich dauerhaft ins Bewußtsein einbrennen. Ein Meisterwerk dieser Art ist das Motiv, das das Bildnis von Dürers Mutter verwendet und dazu die Frage setzt: „Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“ Spätestens durch seine wiederholten Einladungen zur Kasseler documenta wurde Staecks künstlerische Leistung anerkannt. Aber die Kunst ist ihm nur Mittel, nicht Ziel.
Aber auch jenseits dieser plakativen Montagen engagiert sich Staeck immer wieder in Initiativen – so etwa gegen die Verharmlosung von Nazikunst. Eine besondere Nähe fand er zu Joseph Beuys. Für ihn engagierte er sich auch als Galerist und Verleger. Diese Editionsarbeit bildet die materielle Basis für den Grafiker Staeck.
HNA 28. 2. 1998

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