Suche nach neuer Grundlage

Das von Joseph Beuys 1982 begonnene Projekt „7000 Eichen“ ist ein Geschenk, das Probleme macht. Jetzt aber gibt es Anzeichen dafür, daß diese verantwortlich gemeistert werden.

KASSEL Streitpunkte gab und gibt es zuhauf. Hier wurde darum gestritten, ob die Bäume richtig oder falsch geschnitten wurden (Reizwort: Aufastung), und da wurde man sich nicht einig, was höherrangig sei – der Bestand der Beuys-Bäume an einem bestimmten Standort oder die Durchsetzung einer neuen Planung.
Aufgrund seines Beitrages zur documenta 7 (1982) erreichte der Bildhauer und Aktionskünstler Joseph Beuys, daß zwischen 1982 und 1987 im Stadtgebiet von Kassel 7000 Bäume (Eichen konnten es standortbedingt nicht immer sein) gepflanzt wurden – jeweils begleitet von einer Basaltstele.
So sehr das Projekt anfangs mißtrauisch beäugt und bekämpft worden war, so wohlwollend waren die Urteile, nachdem auch trostloseste Straßenzüge begrünt worden waren. Übersehen worden war aber meist, daß die Stadtverwaldung mit der Pflanzung der Bäume nicht erledigt war: Die Bäume müssen in den ersten Jahren aktiv gepflegt werden. Außerdem müssen Strategien für diese Fälle entwickelt werden, in denen Bäume Neuplanungen weichen müssen. Dabei wachsen die Probleme mit dem zunehmenen Alter der Bäume.
Beispielsweise steht jetzt zur Diskussion, daß im Mittelstreifen der Ludwig-Mond-Straße Leitungen neu verlegt werden müssen. Kommt es dazu, stellt sich die Frage, was mit den vor rund zehn Jahren gepflanzten Beuys-Bäumen geschieht. Werden sie herausgenommen, sind sie kaum wieder einzusetzen. Das hieße im Konfliktfalle: Sollte man an Stelle der alten Bäume neue pflanzen?
Lange schien es so, als würden die Stadt, der die Fürsorge für die „7000 Eichen“ übertragen wurde, und diejenigen, die Beuys‘ Ideen (Verein 7000 Eichen) vertreten, nicht auf einen Nenner kommen. Einerseits fehlt der Stadt das Geld, um die Baumpflege offensiv zu betreiben, andererseits gab es immer wieder Phasen, in denen die Stadt eher durch das Beuys-Erbe geschlagen zu sein schien.
Nun allerdings besteht die berechtigte Hoffnung, daß die Konfrontation überwunden wird: Sowohl im Verein 7000 Eichen als auch bei der Stadt scheint man erkannt zu haben, daß keiner von beiden über Patentlösungen verfügt. Weder macht es Sinn, Unbezahlbares zu fordern, noch kann es sein, daß sich die Dinge von selbst regulieren. Daher versucht man, von der Notbremsenpolitik wegzukommen. Man will mit Hilfe eines Runden Tisches erreichen, daß die offenen Fragen langfristig diskutiert werden und keiner den Eindruck erweckt, als habe er für alle Problemlösungen das Patentrezept in der Tasche.
HNA 7. 4. 1998

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