KASSEL Um den Auseinandersetzungen und Schuldzuweisungen im Zusammenhang mit der Pflege der Baum-Skulptur „7000 Eichen“ ein Ende zu setzen, hat sich auf Einladung der Stadtverordnetenvorsteherin Christine Schmarsow ein Runder Tisch gebildet. Zu dieser Runde wurden Mitglieder des Magistrats und Vertreter des Vereins „7000 Eichen“ sowie Repräsentanten der Kultur, Wirtschaft und Kirche eingeladen. Als erste Ziele der Diskussion wurden bestimmt: Man will nach einer gemeinsamen Strategie für den Umgang mit dem Erbe von Joseph Beuys suchen, insbesondere soll diskutiert werden, wie man mit den Bäumen an den Standorten umgeht, wo Wachstumsschwierigkeiten bestehen beziehungsweise, wo sich neue Planungsüberlegungen ergeben. Außerdem will man Wege suchen, innerhalb und außerhalb Kassels eine breitere Unterstützung für die Erhaltung des Projektes zu finden. Bereits in allernächster Zeit sollen die Bestandsaufnahmen von Stadt (Gartenamt) und Verein über den Zustand der „7000 Eichen“ abgeglichen werden.
Ausgangspunkt der Überlegungen ist, wie der neue Vorsitzende des Vereins „7000 Eichen“, Hans-Ulrich Plaßmann, sagt, daß die Meinungsverschiedenheiten der Vergangenheit als erledigt betrachtet werden sollen. Der Verein betrachte sich nicht als Baumpolizei, sondern als Anwalt der Bäume und Basaltsteine.
Für Überraschung sorgte in der ersten Sitzung, daß es offenbar für die am 12. Juni 1987 bekundete Übernahme der 7000 Eichen durch die Stadt keine verbindliche Rechtsgrundlage gibt. Es gibt nur Willenserklärungen des damaligen Oberbürgermeisters Eichel und der Stadträtin Thalgott. Diese moralischen Selbstverpflichtungen, die Stadtbaurätin Monika Wiebusch und Kulturdezernent Volker Schäfer erneuert haben, wurden allerdings als mindestens ebenso wertvoll betrachtet wie ein Vertrag.
Einig wurde sich die Runde, offensiver und positiver über das einmalige Projekt „7000 Eichen“ zu reden. So regte Kunsthallendirektor Rene? Block an, Aufkleber mit dem Slogan „Kassel – Stadt der 7000 Eichen“ herzustellen.
HNA 19. 5. 1998
Kommentar: Eigentumsfrage
Wem gehören die „7000 Eichen“, die zwischen 1982 und 1987 im Stadtgebiet als documenta-Beitrag von Joseph Beuys gepflanzt wurden? Die Frage ist keineswegs so spitzfindig, wie sie klingt. Wir haben uns daran gewöhnt, die Stadt als Eigentümerin zu sehen. Sie hat sich auch in der Verantwortung gefühlt, hat Mittel bereitgestellt und hat Prügel bezogen, wenn einzelne unsachgemäß mit den Bäumen umgingen.
Aber ob da tatsächlich ein geregeltes Eigentumsverhältnis besteht, ist unklar. Das ist vielleicht gut so. Denn selbst wenn es Brief und Siegel gäbe, entstünden dadurch Probleme, daß etliche Bäume gar nicht auf städtischem Grund stehen. Außerdem wäre es zu einfach für uns, könnten wir uns in Besserwisserei üben.
Nein, es wird Zeit, daß wir die „7000 Eichen“ endlich als unser aller Eigentum ansehen, für dessen Erhalt und Pflege wir uns gemeinsam einsetzen müssen. Dieses Gefühl sollte nicht aus der Not geboren werden, sondern aus dem Stolz, daß ein solches durch die Kunst ermöglichtes Landschaftsprojekt in Kassel steht. Erst, wenn man um den Schatz weiß, der da zu hüten ist, entsteht auch die Bereitschaft, mehr als das Auferlegte zu tun.
Der jetzt gebildete Runde Tisch hat aber mehr zu leisten, als für ein Projekt zu werben, das von Jahr zu Jahr plastischer wird. Er hat vor allem Strategien zu entwickeln auf der Grundlage der Erkenntnis, daß niemand für den Umgang mit Bäumen, die mit Vollzug der Pflanzung Denkmäler wurden, über Patentrezepte verfügt. Erst das Selbsteingeständnis der Unerfahrenheit aller schafft eine Verständigungsgrundlage. Schließlich geht es nicht nur darum, Bäume und Steine an bestimmten Punkten zu verteidigen, sondern die Chancen einer Idee zu nutzen, die wir kaum richtig erfaßt haben. Denn der Baum ist gerade da nötig, wo er es schwer hat.
HNA 19. 5. 1998