Populäre Kunst

1968 geriet die documenta wie viele Institutionen unter Druck

Die 68er-Unruhen machten vor den documenta-Toren nicht Halt. Die Pressekonferenz zur Eröffnung der vierten großen Kasseler Ausstellung ging in einem Happening unter, und Künstler wie Wolf Vostell und Jörg Immendorff protestierten dagegen, dass die aktuelle, kritische Kunst ausgespart werde.
So gerieten die documenta-Verantwortlichen doppelt unter Druck. Erst hatten sie im internen Streit die Öffnung der Ausstellung zur von den Amerikanern beherrschten Pop-Art durchsetzen müssen, und dann bekamen sie von den politisch-kritischen Künstlern zu hören, dass sie den Geist der Zeit verpasst hätten. Die vierte documenta war die letzte, an der Arnold Bode mitwirkte. Die künstlerische Auswahl hatte weit gehend Jean Leering beeinflusst. Er setzte auf die Vitalität der Kunst, die dadurch populär wurde, dass sie ihre Motive aus dem Alltag holte. Allerdings kam die documenta damit eigentlich um vier Jahre zu spät.
Trotzdem wurde die marktgängige Schau zum Ereignis. Wesentlich trugen Werke wie das Riesengemälde von James Rosenquist dazu bei, das eine ganze Treppenhauswand füllte und auf Überwältigung setzte. Ähnlich publikumswirksam waren die Objekte und Installationen, die mit Licht und Bewegung arbeiteten oder die (wie Kienholz‘ Environment „Roxy´s“) die Besucher zu einem Teil der künstlerischen Arbeit werden ließen.
Schlagzeilen machte die documenta nicht nur mit den Protesten gegen sie. Auch der Versuch von Christo, auf der Karlswiese einen 85 Meter langen Ballon zum Stehen bringen, sorgte für Aufregung. Erst nach drei Fehlversuchen hatte er Erfolg. Ungewollt hatte der bulgarisch-amerikanische Künstler ein neues Kapitel aufgeschlagen. Von nun ab gehörte es zum Charakter der Ausstellung, dass sie nach der Eröffnung mit Aktionen zu einem wirklichen 100-Tage-Ereignis wurde. Die Zeiten der beschaulich musealen Ausstellungen waren nun vorbei.
HNA 30. 8. 2005

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