Beginn einer Ausstellungskarriere

Sie war als kulturelle Ergänzung zur Bundesgartenschau geplant. Aber die documenta trat aus dem Schatten des Großereignisses hinaus und wurde zur weltweit anerkannten Institution.

Der Satz klingt prophetisch: „Allein die documenta wird die Stadt für Jahrzehnte in die europäische Kulturdiskussion einschalten.“ Als Friedrich Herbordt dies in seinem Rückblick auf das Jahr 1955 schrieb, konnte er nicht ahnen, daß die Kunstausstellung, die im Sommer 134850 Besucher in das Fridericianum gelockt hatte, einmal zur festen Adresse im internationalen Ausstellungskalender werden sollte. Allerdings hatte Arnold Bode – zusammen mit anderen Kunstfreunden – die documenta von Anfang an als eine im festen Rhythmus wiederkehrende Ausstellung gedacht. Doch zu jener Zeit war es undenkbar, daß Land und Stadt für sie eine dauerhafte Geschäftsstelle einrichten würden.
Arnold Bode, Maler, Gestalter und Macher, hatte schon in den 20er Jahren an beachtlichen Ausstellungen in der Orangerie mitgewirkt, bei der die gesamte deutsche Moderne zu Gast war. So konnte er auf wichtigen Erfahrungen aufbauen, als er die Idee entwickelte, nach der Zwangspause durch die Nazi-Zeit und die unmittelbaren Nachkriegsjahre, einen Überblick über die großen Meister der Moderne zu geben, um diese in Erinnerung zu bringen und zugleich die abstrakte Kunst der Gegenwart zu rechtfertigen.
Daß die Ausstellung international für Aufsehen sorgte, hatte drei Ursachen: Es gelang damals, museale Meisterwerke beispielhaft in Kassel zu versammeln; zugleich konnte ein überzeugender Einblick in das zeitgenössische Schaffen gegeben werden; und schließlich faszinierten die provisorisch hergerichtete Fridericianums-Ruine und die raffinierte Inszenierungstechnik und Lichtregie.
Die erste documenta kam mit dem bescheidenen Etat von 379000 Mark aus. Wäre mehr Geld vorhanden gewesen, hätte Bode die Ausstellung um Architekturbeiträge, Konzerte, Theateraufführungen und Filme ergänzt. Er hatte ursprünglich ein Festival europäischer Kultur im Sinn gehabt. Daraus wurde nichts. Aber Bode schaffte es, drei weitere Male die documenta mitzugestalten.
Entscheidend aber war die Initialzündung. Wie schrieb Herbordt im Rückblick? „Es war eine Lust, in Kassel zu leben, in diesem Jahr…“

HNA 20. 7. 1999

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