Seit Jahren gehören sie dazu, wenn die Kunstwelt ihre Spitzenereignisse feiert: Eva und Adele. Gestern machten sie in Kassel einen Abstecher in die Kunsthalle Fridericianum.
KASSEL Egal, wo man sie trifft und sie fragt, wo sie gerade herkämen, die Antwort ist immer gleich: Aus der Zukunft. Nein, gegenwärtig und greifbar sind sie nicht, obwohl sie automatisch alle Blicke auf sich ziehen. Das Künstlerduo Eva und Adele spielt immer die gleiche Rolle – mit kahl rasierten Schädeln, groß geschminkten Augen und Kleidchen oder Kostümen in Rosa, Rot oder Pink. Alles wird bei den beiden zum geheimnisvollen Spiel. Blickt man in ihre Biografie, dann erfährt man nichts über das Alter, sondern nur über die Körpermaße. Auch die Geschlechterrollen heben sie auf. Sie geben sich auffällig weiblich (mit kurzen Röcken), knüpfen in Fotoaktionen auch an erotische Fantasien an und geben doch nicht ihre Identität preis. Immer sind sie zu einem großen Auftritt bereit. Auch gestern, als sie auf dem Weg von Nürnberg nach Nordhorn in Kassel am Fridericianum Station machten. Ob vor dem Gebäude, das weltweit das Symbol für documenta ist, oder ob in der bis Sonntag laufenden Ausstellung von James Lee Byars sie stellen sich nebeneinander auf, lächeln, blicken erwartungsvoll ins Objektiv und sind gewiss, einen weiteren Beweis ihrer Kunstexistenz gewonnen zu haben. Denn das gehört zum System ihrer Kunstreisen, dass sie sorgfältig die fotografischen Beweise ihrer Kunstbegegnungen sammeln. Diese Bilder, auf denen stets sie selbst im Mittelpunkt stehen, werden katalogisiert, aber auch weiterverarbeitet. Vor allem werden die Motive in Zeichnungen und Gemälde umgesetzt. Je länger Eva und Adele diesen Weg verfolgen, desto klarer wird, wie sie unseren Drang, alles fotografisch zu dokumentieren und öffentlich zu machen, auf die Spitze treiben. Schien es anfangs so, als begnügten sich Eva und Adele mit dem Spektakulum ihrer Auftritte, ist jetzt nicht mehr zu übersehen, dass es der Kreislauf der Bilder ist, der sie fasziniert. Sie machen sich selbst zum Klischee, und ihre in Herzform aneinander geschmiegten Köpfe künden als Logo von einer heiteren Welt, in der das Kommentieren von Kunst selbst zur Kunst geworden ist.
HNA 24. 11. 2000