Von der Skulptur zum Raum

NEW YORK Als Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre der Siegeszug der abstrakten Kunst unaufhaltsam zu sein schien, meldeten sich in Amerika und Europa Künstler zu Wort, die mit Zitaten aus der Wirklichkeit eine neue gegenständliche Kunstsprache begründeten. Unter dem Stichwort Pop-Art eroberten sie die Ausstellungshallen und Museen. Den Höhepunkt der Bewegung in Europa markierte 1968 die documenta in Kassel. Auch der Maler und Bildhauer George Segal, der jetzt 75-jährig in New Jersey starb, war damals in Kassel vertreten. Seine Arbeiten waren und sind unverkennbar. Er befreite die Skulptur von der Aura des Erhabenen, holte die Figuren vom Sockel herunter und gab ihnen etwas Gewöhnliches, indem er sie aus Abformungen aus Gips schuf. Lebensgroß und lebensecht standen sie so da, als seien sie erstarrt. Durch kleine Beigaben, einen Stuhl, ein Waschbecken oder eine Fensterscheibe, gelang es Segal, Raumbilder und Szenen anzulegen und kleine Geschichten zu erzählen. Seine Environments waren in den Raum übertragene Wirklichkeitszitate. Die weißen Gipsplastiken sind bis heute das Markenzeichen Segals, auch wenn er über diese Art der Darstellung hinausging, politisch-kritische Skulpturen schuf und immer wieder zur Zeichnung und Malerei zurückkehrte. Seine Zeichenkunst war hoch geschätzt. 1977 wurde eine kleine Auswahl seiner Zeichnungen in der documenta 6 gezeigt.
HNA 13. 6. 2000

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