Licht und Bewegung und Gewalt

Nägel in allen Größen und Formationen sind zum Markenzeichen des Malers und Bildhauers Günther Uecker geworden, der am Montag sein 70. Lebensjahr vollendet.

Als Nagelkünstler ist Günther Uecker berühmt geworden. Mit kräftigen Hammerschlägen hat der in Düsseldorf lebende Künstler Eisennägel in weiße Leinwände und Holztafeln eingeschlagen. Aber selten so tief, dass sie ganz darin versenkt worden wären. In den meisten Fällen ließ er die Nägel hoch heraus stehen, so dass sich die bemalten Flächen in Reliefs verwandelten und die Nagelreihen, mal in strenger Ordnung, mal in Spiral- und Wellenformen, in den Raum zurückwirkten und Schatten warfen. Ob Günther Uecker für sich Mitte der 50-er Jahre den Nagel als universales Gestaltungsmittel entdeckte, weil er unter anderem bei dem Holzschneider Otto Pankok studiert hatte, sei dahingestellt. Es war auch nicht so sehr der provokative Widerstand, der den Maler zum Nagelkünstler werden ließ, sondern die intensive Auseinandersetzung mit einer Malerei, die sich von jeglicher Darstellung abgewandt hatte, die mit der reinen Farbe in der Fläche experimentierte und die darum bemüht war, im Bild das Licht einzufangen und zu thematisieren. So hatte Uecker ab 1957 einfarbig (monochrome) Bilder in Weiß gemalt, in die er Nagelreihen schlug, die er ihrerseits wieder mit Weiß übermalte. Auf diese Weise waren Bildräume entstanden, die das Licht und den Schatten einfingen und die durch das wandernde Licht den Weg zur Bewegung öffneten. Später ging er dazu über, die Nagelreihen zu konzentrieren und sie (durch steigende oder fallende Schrägstellungen) zu Bildern fließender Bewegungsabläufe werden zu lassen. Diese Bemühungen um Licht und Bewegung brachten Uecker bald mit Otto Piene und Heinz Mack zusammen, die gemeinschaftlich die Gruppe Zero bildeten. Diese Gruppe, die in den 60-er Jahren die Kunstszene im Rheinland dominierte, lieferte auch wesentliche Anregungen zur Entwicklung der kinetischen Kunst und der Op-Art. Aber Günther Uecker ist kein eindimensionaler Maler, kein Formalist. Er ist ein moralischer Künstler, der viele Ideen durch die Auseinandersetzung mit Philosophie und den großen Weltreligionen gewonnen hat und der auch sehr direkt und spontan auf politische und gesellschaftliche Probleme reagiert. Er weiß zudem sehr genau, dass der Nagel nicht nur verbindet und zusammenhält und nicht nur ein plastisch-grafisches Element ist, sondern er hat auch immer im Blick, dass der Nagel ein Mittel und Zeichen der brutalen Gewalt ist. Immer wieder hat Uecker dies in seinen Werken zum Thema gemacht. Die in ein schwarz bemalte Fläche krumm geschlagenen Bilder dokumentieren die Gewalttat und deren Opfer, ohne dass es weiterer Erläuterungen bedürfte. Und wenn dann noch die Holztafel, auf der dies passiert, ihren festen Rand verliert und wie eine herausgebrochene, splitternde Platte aussieht, dann ist der Gewaltakt bildhaft vollendet. Günther Uecker zeigte kurz vor seinem 70. Geburtstag, den er am Montag feiert, in der Stuttgarter Galerie Wahlandt unter dem Titel Entgrenzung Vertreibung solche torsohaften Arbeiten, die er Splitter nennt und die sichtbar werden lassen, dass es vom Auskosten der Lebensenergie bis zum Einsetzen von Gewalt nur ein kleiner Schritt ist. Seine Rauminstallationen und Environments sind von solchen und ähnlichen Gedanken bestimmt. Drei Mal, in den 60-er und 70-er Jahren war Uecker an der der documenta beteiligt. Aus Anlass der Kaiserring-Verleihung schuf er 1983 in Goslar die Installation Die Gefährung des Menschen durch den Menschen.

HNA 11. 3. 2000

Schreibe einen Kommentar