In der neuesten Ausgabe des achtseitigen Faltblattes Point d’ironie von agnès b. stellt die Documenta 11 den Architekten Yona Friedman als ihren zweiten Künstler vor.
KASSEL Helfen alte Modelle, um Antworten auf neue Fragen zu geben? Der aus Ungarn stammende und in Frankreich lebende Architekt Yona Friedman (Jahrgang 1923) ist überzeugt davon. Er hatte vor vier Jahrzehnten Visionen für einen verdichteten Städtebau entwickelt, die seiner Ansicht nach für urbanisierte Regionen wie New York ebenso taugten wie für die schnell wachsenden Siedlungsräume in Afrika. Er gilt als einer der Pioniere des Bauens von mobiler Architektur. Sein Kerngedanke ist, dass vielerorts der Boden zu wertvoll ist, als dass er durch Häuserreihen zugebaut werden sollte. Friedman entwickelte deshalb Pläne für einen wabenartigen Skelettbau, der als Brücke einen Fluss überspannen kann oder der auf dem Land auf Stelzen steht, so dass unter den Wohnbauten Spielplätze, Parks oder Straßen angelegt werden könnten. Der 78-jährige Architekt fühlt sich in seinen Visionen durch die Ereignisse des 11. September 2001 bestärkt. Die Zwillingstürme des World Trade Centers seien ein Musterbeispiel für die Verletzlichkeit der Hochhausarchitektur gewesen. Deshalb plädiert er dafür, in die Breite statt in die Höhe zu gehen. Mehr als sechs bis neun Stockwerke sollten demnach nicht aufeinander getürmt werden. Außerdem warnt er davor, die Metropolen ins Grenzenlose wachsen zu lassen. Viel sinnvoller sei es, die bestehenden Stadtsysteme mit schnellen Verbindungen (Hochgeschwindigkeitszüge) so zu vernetzen, dass die Entfernungen keine entscheidende Rolle mehr spielen. Friedman hat diese Gedanken in einer Art Manifest am 17. September niedergelegt. Der Text ist auf dem Erläuterungsblatt abgedruckt, das der zweiten Sonderausgabe zur Documenta 11 des achtseitigen Faltblattes Point dironie der Boutiquen-Kette agnès b. beigelegt ist. Wie schon berichtet stellt sich Friedman in dem Blatt mit farbigen Collagen und einfachen Zeichnungen vor, in denen er Fragen zum Siedlungs- und Städtebau problematisiert. Mehrfach hat die documenta seit 1972 die Präsentation der aktuellen Kunst durch Architekturprojekte erweitert. Bereits Arnold Bode hatte 1955 bei der ersten documenta daran gedacht, konnte aber nur Architekturfotos zeigen. Besonders vielfältig waren die Arbeiten zu Architektur und Stadtplanung bei der documenta X gewesen. HINTERGRUND Zur Documenta 11 sollen über 100 Künstlerinnen und Künstler eingeladen werden. Bleibt es bei diesem Umfang, wird die elfte documenta die Schau mit einer der geringsten Künstlerzahlen sein bei gleichzeitiger Ausweitung der Flächen. Als Ausstellungsorte sind das Museum Fridericianum, die documenta-Halle, der Kulturbahnhof und die ehemalige Binding-Brauerei vorgesehen. Es werden alle Generationen vertreten sein und alle künstlerischen Medien Malerei, Skulptur, Zeichnung, Fotografie, Video, Film, Architektur, Sound- und Internetarbeiten, Performance und Konzert. Die Veröffentlichung der Künstlerliste wird für den Mai angekündigt.
HNA 11. 1. 2002