Ausstellung Andy Warhol
Das Römisch-Germanische Museum in Köln liegt unmittelbar zu den Füßen des Domes. Prof. Hugo Borger, der Direktor des Museums, liebt es, den Dom als sein größtes Ausstellungsstück zu bezeichnen: Aus bestimmten Blickwinkeln scheint der Dom aus dem Museum herauszuwachsen und damit Teil der archäologischen Sammlung zu sein.
Nun hat der amerikanische Pop-Künstler Andy Warhol eine tiefe und wohl auch gewinnbringende Verbeügung vor den Kölnern und ihrem Dom gemacht und nach Fotos vier Bilder vom Dom gemalt. Diese Verbeugung wird von den Kölner Museumsleuten erwidert: sie öffnen dem derzeit begehrtesten Prominenten-Porträtisten der Welt das Römisch-Germanische Museum und lassen damit erstmals Gegenwartskunst in das Haus mit den antiken Schätzen. Ab heute werden in dem Museum mit Domblick die vier Warhol-Gemälde vom Dom gezeigt, damit das Publikum die Möglichkeit hat, wie es im Pressedienst der Stadt Köln heißt, „Bild und Wirklichkeit“ zu vergleichen.
Doch beim bloßen Vorzeigen wollen es die Kölner nicht belassen, sie wollen auch kaufen. Schon als Warhol nur die Absicht geäußert hatte, er wolle den. Dom malen, war in Köln Kaufabsicht geäußert worden. Nun, da feststeht, daß der Dom in die Reihe der von Warhol gedruckten und gemalten Prominenten – von Marilyn Monroe über Elvis Presley und Mao bis zu Brandt und Beuys – aufgenommen worden ist, wird sogar der Erwerb der ganzen Serie erwogen. Vielleicht hilft hier ja Mäzen Peter Ludwig weiter, der dem Kölner Museum Ludwig nicht nur zu seinem Bestand und Namen, sondern auch zu etlichen Warhol-Bildern verholfen hat und der Maler-Fotografen Warhol fast zur gleichen Zeit wie der Dom Modell stand.
Kar! Ruhrberg, Direktor des Museums Ludwig, sprach von „kleinen Warhol- Festwochen“, als er gestern im Studienraum der
Graphischen Sammlung eine Ausstellung mit vierzig Fotografien von Warhol vorstellte. Die Fotos gehören in ihrer Unauffälligkeit zu dem überraschendsten, was Warhol in der jünsten Zeit produziert hat. Der Pop-Künstler Warhol ist ohne das Medium Fotografie nicht denkbar. Fotos benutze er als Grundlage fiir seine schon legendären Siebdrucke der 60er Jahre und nach Fotos gestaltet er seine Gemälde. Dabei spielt es für ihn keine entscheidende Rolle, ob das Foto, das ihm als Vorlage dient, von ihm selbst oder von anderen gemacht ist. Die künstlerische Sichtbarmachung einer zum Abziehbild gewordenen oder zum Idealtypus stilisierten Figur ist sein zentrales Ziel. Und er gelangt auf vielen, manchmal auch schon abgenutzten Wegen dorthin.
Aber nicht nur die Fotografie als Bildvorlage, sondern auch die Reproduktionstechniken haben direkten Einfluß auf seine Arbeitsweise. So entstanden in den letzen Jahren viele Bildserien, in denen er nach dem Prinzip des Farbauszugs Porträts malerisch improvisierte und so ein Motiv mehrfachvariierte.
Die in Köln jetzt gezeigten Fotos, die aus einer Serie von 400 ausgewählt wurden, weisen in eine- völlig andere Richtung. Sie sind weder farbig noch auf Repräsentation bedacht. Es sind Schnappschüsse aus der Welt der Prominenten. Warhol, seit einiger Zeit ständig mit Tonband und Kamera hantierend, ist Teil dieser Prominenten-Szene und kann daher mühelos auch dann auf den Auslöser seiner kleinen automatischen Kamera drücken, wenn andere Fotografen Prügel beziehen würden.
Die Prominenten werden also in alltäglichen, ganz menschlichen Situationen eingefangen. Es sind Bilder, die ein wenig an die indiskreten Fotos von Erich Salomon erinnern, die aber auch mit der Zufälligkeit und Brutalität der Ausschnitte – mitunter etwas Amateurhaftes an sich haben. In der Reihung der Aufnahmen wird jedoch sichtbar, welch sicheren Blick Warhol für eine Person oder eine Szene hat und wie zielstrebig er sein zentrales Motiv aus der Umgebung herauslöst, die er in der Überoder Unterbelichtung untergehen läßt. Die Nachteile der Arbeit mit der automatischen Kamera werden hier als Vorteile genutzt. Vor allem aber werden die Personen nicht aus ihrer Umgebung. heraugelöst, sondern in ihr belauscht.
RP 20. 8. 1980