Vom Pop-Künstler zum Prominentenmaler

Zum Tod von Andy Warhol

Die Porträtmalerei war längst tot, da wurde sie von einem Künstler zum neuen Leben erweckt, der seinerseits die subjektive Malerei zu Grabe tragen wollte: Der amerikanische PopKünstler Andy Warhol wurde in den 70er und 80er Jahren zu dem Prominentenmaler der westlichen Welt. Bankiers, Mäzene, Galeristen und Stars des Show-Geschäftes standen Schlange, um sich von Warhol ablichten zu lassen, damit dann das Foto mit Hilfe des Siebdrucks zur Grundlage eines Gemäldes werden konnte.

Eine denkwürdige Entwicklung: Als Warhol zu Beginn der 60er Jahre seine ersten Porträts angefertigt hatte – von Marilyn
n Monroe, Elvis Presley und Jackie Kennedy -, da hatte er auf Fotos zurückgegriffen, die die Welt bewegten, auf Bilder, die unzählige Male in Zeitungen reproduziert worden waren. Der etwa 30jährige Warhol, der damals als Werbegrafiker erfolgreich arbeitete und nun als Künstler zu Ruhm kommen wollte, griff die Bild-Idole auf und machte ihren Massen- und Warencharakter deutlich, indem er sie wiederum in Serie produzierte. Marilyn, aber auch die Banknote und Suppendose wurden nicht nur in Auflage auf den Kunstmarkt geworfen, sondern vervielfältigten sich auch in dem Bild selbst oder in einer Bildserie.

Obwohl Warhol keineswegs der Pionier der Pop-Art war,die die Fetische der Konsum- und Massengesellschaft in fast unverstellter Form in die Bildwelt zurückholte, katapultierle sich mit diesen Werken an die Spitze dieser Kunstrichtung.
Frühzeitig haben Experten darauf verwiesen, daß Warhols Siebdruck-Serien, in denen er ein Motiv in immer gleichen oder immer neuen Farbkompositiönen erscheinen ließ, gar nicht so perfekt sind, wie es der Künstler proklamiert hat: „Ich glaube, daß jeder eine Maschine sein sollte.“ Und: „Ich finde, jemand sollte imstande sein, alle meine Bilder‘ für mich zu machen.“

Glaubte das Warhol wirklich oder wollte er die anderen nur täuschen? Tatsächlich schien er sich Mitte der 60er Jahre von der individuellen l Kunstproduktion abzuwenden, als er seine „Factory“, eine Art Kunstkommune, gründete. Die persönliche Kreativität galt als passe. Jetzt drehte er Filme – stundenlang mit derselben Einstellung. Und er tauchte in die Subkultur New Yorks ab und schockierte hierzulande die Kinogänger mit Filmen wie „Trash“, in denen alles – der Mensch, die Liebe und das Gespräch – zum Müll verkommen war.

Doch Andy Warhol tauchte bald wieder strahlend auf dem Kunstmarkt auf. Der schlanke weißhaarige Mann trug auf seinen Trips stets eine kleine Kamera bei sich, mit der er mal auf Bestellung und mal aus eigenem Antrieb ablichtete, was ihm oder anderen wichtig war. Joseph Beuys, Willy Brandt und Peter Ludwig seien nur als Beispiele für die deutsche Prominenz genannt, von der Warhol Porträts schuf, die immer mehr malerischen Charakter gewannen. War Warhol zum Hofmaler heruntergekommen oder hatte er es verstanden, die Prominenten in dem Kaleidoskop der Idole vorzuführen und austauschbar zu machen – zumal schließlich auch Mao, Goethe, Dracula,
Mickey Mouse und die Lieblingshunde der Stars zu seinen Motiven gehörten?

Beides ist zugleich richtig. Warhols Bilder, die Traumpreise erreichten, haben unsere Art, die Welt zu sehen, mitverändert. Wir haben gelernt, durch die reproduzierte Welt hindurchzusehen.
Der Mann, dessen erste Lebensjahre so sehr im Dunkeln liegen, daß sein Alter nur mit etwa 58 Jahren angegeben werden kann, hat im Sturmschritt die Kunstwelt erobert. Jetzt erlag er nach einer Operation einem Herzanfall.

HNA 23. 2. 1987

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