Mitten in den Schichten eines Traumes

Ausstellung Penny Yassour

Aus einem Zufall wurde ein GlücksfalL Der Vorsatz des Kasseler Kunstvereins und der Kunsthalle Fridericianum, anlässlich des 100. Geburtstages von Arnold Bode die beiden jüngsten Bode-Preisträger, Penny Yassour (Jahrgang 1950) und Richard Hamilton (Jahrgang 1922), mit Ausstellungen zu ehren, führte zu der einmaligen Konstellation, dass die eine Ausstellung wie ein Echo auf die andere wirkt. Obwohl die beiden Künstler, die für zwei verschiedene Generationen stehen, ihre Arbeiten unabhängig voneinander entwickelt haben, entsteht für die Besucher der Eindruck, als setze Penny Yassour mit anderen Mitteln fort, was Hamilton begonnen hat.

Hamilton zeigt vier seit 1956 erarbeitete Rauminstallationen, von denen die älteste am direktesten auf Penny Yassöurs Raumarbeit verweist. Die Besucher tauchen förmlich in die Arbeit ein. Sie erleben Bilder, unterschiedliche Räume und optische Reize.
Penny Yassour spinnt weitere Fäden, um die Besucher einzufangen und hineinzuziehen in die Schichten eines komplexen Traumbildes. Ein Leuchtschriftband zieht sich durch den zweigeteilten Saal und läuft in einer Spirale aus. Durch den Raum wandernd erliest man sich den Text: ,,I had a night dream: the people swarmed on the public square und pointed laughingly at me, and I was filled with shame and fear“ .(Ich hatte einen Nachttraum: Die Leute schwärmten auf den Platz und zeigten lachend auf mich, und ich war voller Scham und Furcht).

Dieselben Worte hört man bruchstückhaft, sich wiederholend, und mit Musik unterlegt, aus kleinen Lautsprechern, die zu dem Schriftband gehören. Es klingt so, als sei die normale Sprache zerstört. Dieser irritierende Klangteppich, in den sich dramatische Gesangstücke von Haim Permont mischen, führt zu dem Titel der Ausstellung: „Echolalia „. Der Begriff steht für das krankhafte Wiederholen von Wörtern und Wortteilen.

Aber wie findet man sich darin zurecht, wie reimt sich alles zusammen? Auf die Frage gibt es keine schlüssige Antwort. Wer sich in den Raum begibt, muss sich auf das Rätselhafte eines Traumes einlassen: Schöne Bilder wie der rote Vorhang, der die Fensterfronten verdeckt oder die rotbraune Konzertmuschel, aus der die opernhafte Musik ertönt, verquicken sich mit den zwanghaften Wortfetzen oder mit der Maskerade einer Figurenpyramide, bei der die Köpfe durch Mützen markiert sind.

Nein, erklären kann man hier nichts, weil, jeder auf seine Weise von Ahnungen und Ängsten erfüllt wird oder sich beschwingt von der Leuchtschrift leiten lässt. Das Rätselhafte überwiegt. Dazu gehören die drei Großfotos, die drei verschiedene Stadtansichten in Erinnerung rufen, wie die rollbaren Arbeitskabinen für jeweils eine Person. Diese Kabinen, in denen man sich von der Außenwelt abschließen kann, verstärken das Gefühl der Sprach- und Beziehungslosigkeit innerhalb des vielschichtigen Gewebes aus Worten, Klängen und Bildern. ,Dass die Kabinen auch real nutzbar sind, belegt eine Video-Dokumentation, die bei einer Performance mit Studenten entstand.
In ihrer Vieldeutigkeit weckt die Ausstellung gleichzeitig befruchtende wie bedrückende Stimmungen. Sie wird zum packenden Erlebnis. Hervorragend ergänzt wird die für und in Kassel entwickelte Arbeit, die eine Brücke zwischen der Vergangenheit und Gegenwart schlägt, durch die Präsentation großartiger Zeichnungen, die PennyYassour begleitend zu ihren Raumarbeiten anfertigt.

HNA 5. 1. 01

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