Malerei vor und nach der Malerei

Zu den neueren Bildern von Pit Moog

Die ersten Bilder: in die Erde gezeichnet, in Mauern und Felsen geritzt, aufgetragen oder ausgerieben. Die Farben blühten bereits da, wo die Gestalten der Verehrten, Ersehnten und Gefürchteten auf den Wänden als Bilder erst gedacht waren. Linien, Risse und andere Spuren gaben einen Rhythmus vor, dem sich die Bildmacher unterordnen mussten.

Und dann die Malerei, die sich frei machte von festen Wänden, die ihre eigenen Farben mischte und deren Auftrag zur Vollendung brachte. Die auf die Fläche gemalten Farben standen so sehr dem Abbild zu Diensten, dass sie völlig aufgingen in der Form. Der vorgetäuschte Apfel, den der Betrachter greifen und essen wollte, war der extremste Gipfel einer handwerklich geprägten Perfektion. Aber in dieser Verengung lag auch eine der Ursachen dafür, dass die Malerei sich schließlich auf ihre ureigenen Mittel besann, dass sie das Interesse am Abbild verlor und dass die Malweise selbst, der Gestus, das Zeichnen, Ritzen, Wischen und Schichten, an Bedeutung gewann. Die Malerei im traditionellen Sinne war an ihr Ende und damit zu sich selbst gekommen.

Pit Moog malt im Bewusstsein dieser Entwicklung. Er, der im Zeichen des Streits zwischen gegenständlicher und freier Malerei ausgebildet wurde und der sich nicht die Alternative zwischen handfester Erzählung und freier Komposition aufzwingen ließ, baute eine Brücke, die vom Ende der Malerei zu den Ursprüngen – in die Zeit vor der Malerei – führt.

Die Kraft seiner Malerei, die immer die Lust an der Zeichnung einschließt, verlieh ihm die Freiheit, sich brüderlich jenen vorzeitlichen Pionieren zuzuwenden, die, wenn sie ein Bild im Sinn hatten, kaum die Verbindung von Vorder- und Hintergrund meinten, sondern nur die Figur und Szene selbst, das Abbild. So, wie Moog den Zugang Denkweisen und Bildern der frühesten Kulturen sucht, so nimmt er für sich die Einfachheit und Klarheit der archaischen Sprache auf: Tier, Freund, Gottheit und Feind als Konturen oder als helle und dunkle Schatten. Versuche, Ordnung in eine rätselhafte Welt zu bringen.

Zeichnend und vor allem malend folgt Moog diesen Spuren. Und indem er die Gestalten so auf den Pappen und Leinwänden entstehen lässt, als hätten sie sich, Fotogrammen gleich, selbst abgebildet, sucht er bei der Behandlung der Flächen genau die Sprödigkeit, die jede Kunstfertigkeit zu leugnen scheint. Das heißt: Moog hat eine Meisterschaft erreicht, die es ihm erlaubt, so zu tun, als würde er auf die ordnende Komposition verzichten und sich mit zufälligen Pinsel- und Wischspuren, Farbresten, willkürlichen Linien und Klecksen begnügen. Malerei am Rande ihrer Auflösung ?

Keineswegs. Denn die Bilder kommen in ihr Gleichgewicht, bauen Spannungen auf und entfalten einen geheimnisvollen Zauber. Mehr noch, sie eröffnen den Zugang zu einem verblüffenden Realismus: Die chaotischen Farbräume, die unfertig wirken und die alle Malkultur vom Tisch zu wischen scheinen, sind Kompositionen, die treffsicher die grafischen und farblichen Stimmungen jener Wände spiegeln, auf denen sich die frühzeitlichen Botschaften fanden. Doppelt hat sich Moog also dieser ursprünglichen Bildsprache angenähert. Er hat der Malerei vor der Malerei ein Denkmal gesetzt – mit der an ihr Ende und damit zu sich selbst gekommenen Malerei, die ihre Mittel zur Diskussion stellt.

Februar 2000

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