Mit spielerischen Mitteln

Junge kritische Kunst im Fridericianum

Wer in diesen Tagen in die Kunsthalle Fridericianum geht, erlebt eine erfrisehende Mischung zeitgenössischer Kunst. Drei parallel laufende Ausstellungen sind zu sehen. Im Zentrum steht die Präsentation des Fluxus-Künstlers Arthur Köpcke, die wir bereits vorgestellt haben.

Die beiden anderen Ausstellungen entstanden aus der Zusammenarbeit mit dem New Yorker Institut „apexart“. Das Institut bietet jungen Ausstellungsmachern (Kuratoren) die Möglichkeit, das Konzept für eine Ausstellung zu realisieren. Da Kunsthallendirektor René Block ebenfalls die Förderung von Nachwuchs-Kuratoren im Sinn hat, ging er eine Zusammenarbeit mit „apexart“ ein. Was nun im Fridericianum zu besichtigen ist, kann sich mit professionell gestalteten Ausstellungen messen. Die Dichte, Ausdruckskraft und Lebendigkeit ist beeindruckend. Vor allem imponiert, wie das kritische Potenzial listig in heitere Energie umgewandelt wird.

Der Kanadier Craig Buckley hat unter dem Titel „Adaptionen“ Künstler und Künstlergruppen eingeladen, die sich mit den brennenden Fragen der Umwelt und des städtischen Lebens auseinander setzen. Den stärksten Beitrag dazu lieferte Michael Rakowitz, der sich gegen die Aktionen der Behörden zu Lasten der Obdachlosen wendet. Er stellt ein aufblasbares Zelt vor, das, wie Fotos an der Wand dokumentieren, an nahezu jedem Ort in der Großstadt aufgeschlagen werden kann. Man muss nur den zum Zelt zugehörigen Plastikschlauch am Abluftgitter einer Klima- oder Heizungsanlage befestigen. In Anspielung auf das Parasitentum, das sich hier offenbart, nennt Rakowitz seine Installation „ParaSite“.

Nils Normans Arbeit wirkt zuerst wie eine Informationstafel, die einen „Entropie Kiosk“ vorstellt, der Umweltbelastungen anzeigt. Beim näheren Hinsehen allerdings merkt man, dass Norman seine Umweltschadensbilanz kräftig ausweitet. Denn der Kiosk soll auch laufend über die verbleibenden Erdölvorräte, über ausbrechende Kriege und Länder ohne Versicherungsschutz informieren. Die meisten Arbeiten setzen auf den Überraschungseffekt und zwingen zum Weiterdenken.

Die andere Ausstellung hat Attequa Ali unter dem Titel „Spielen mit geladenem Gewehr“ arrangiert. Die aus Pakistan stammende Kuratorin hat elf jüngere Künstler eingeladen, die sämtlich aus Pakistan stammen und jetzt überwiegend im Ausland leben. Fast alle Arbeiten reflektieren die blutige politische Gewalt, unter der Pakistan in der jüngsten Vergangenheit leiden musste. Die Künstlerinnen und Künstler knüpfen in der Gestaltung ihrer Bilder und Objekte bei der Tradition an. Hamra Abbas, Ambreen Butt und Saira Wasim gehen von Naturbildern aus. Manchmal benutzen sie klassische Vorlagen, manchmal imitieren sie sie nur. In diese vordergründigen Harmonie-Kompositionen setzen sie die Erinnerungszeichen an Massaker und andere Schreckenstaten ein.

Für die Betrachter tun sich neue Welten auf. Vor allem erleben sie, mit welcher Souveränität die Künstler mit den bildnerischen Mitteln (das Bild im Bild) spielen. Die Ausstellung weckt den Wunsch, mehr zeitgenössische Kunst aus diesem Land zu sehen.

HNA 14. 4. 2004

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