Durch die Schluchten Wege bauen

Balkan-Projekt im Fridericianum zieht Kreise

Wahrscheinlich ist as in der Ausstellungsgeschichte ein Sonderfall: Die im vorigen Herbst in der Kasseler Kunsthalle gezeigte Schau „In den Schluchten des Balkan“ hat in den Balkan-Staaten eine Fülle von Nachfolge-Projekten hervorgerufen. Vorläufiger Höhepunkt wird im Juli die Cetinje Biennale in Montenegro mit Parallelprojekten in Tirana und Dubrovnik sein. Die Leitung der Biennale mit über 40 Künstlern ist René Block und Natasa Ilic übertragen worden, die im vorigen Jahr schon bei der Balkanausstellung in Kassel zusammengearbeitet haben. Damit wird dokumentiert, wie gut es der Kasseler Ausstellung gelungen ist, die aktuelle Kunstszene in den Ländern von Serbien bis Türkei zu spiegeln. Fast noch wichtiger ist, dass Block und sein Team es schafften, Wege durch die wilden Schluchten zu bauen. Das heißt: Obwohl in den Ländern Armut und Arbeitslosigkeit herrschen und obwohl die politischen Systeme zerbrechlich sind und großes Misstrauen zwischen den Volksgruppen besteht, konnten Block und seine Mitarbeiter dazu beitragen, kulturelle Strukturen aufzubauen und Grenzen zu überwinden. Deshalb wertet Block als einen großen Erfolg, dass durch die Biennale Montenegro, Albanien und Kroatien miteinander verbunden werden können.

Aber das ist nicht das erste Grenzen überschreitende Projekt. Erst vor wenigen Tagen war im Kosovo eine kleine Ausstellung mit Künstlern aus Kroatien, Albanien, Ungarn und der Türkei zu sehen. Im Juni schließt sich in Zagreb, der Heimatstadt von Natasa Ilic, eine Schau an, in der erstmals hauptsächlich Werke von Künstlern aus dem Kosovo präsentiert werden.

Die Künstler und die Kunstszene im früheren Jugoslawien befinden sich, wie Block im Gespräch mit unserer Zeitung sagte, im Aufbruch. Dennoch oder gerade deswegen nehmen sie gerne die Unterstützung an, die ihnen bei der Förderung ihrer Aktivitäten hilft. Mit Blick auf diese Außenwirkung hatte sich die Bundeskulturstiftung mit einer großzügigen Förderung an dem Kasseler Balkan- Projekt beteiligt. Das Interesse, das durch die Aktivitäten geweckt wurde, übertrifft aber alle Erwartungen und hat mehr Folge-Projekte als gedacht in Gang gesetzt. So wird es im kommenden Jahr in Zagreb eine umfassende Kollektiv-Ausstellung geben, die auf dem Kasseler Impuls basiert.

René Block ist im Moment dort so stark gefragt, dass er sich ausschließlich den Vorhaben auf dem Balkan widmen könnte. Doch seine im Herbst
begonnene Balkan-Trilogie geht auch hier weiter. Vom 20. Mai bis 19. September wird unter dem Titel „Wie light the night“ der dritte Teil der Trilogie in der Kunsthalle Fridericianum gezeigt. Im Zentrum steht die Werkschau des kroatischen Poeten Mangelos (1921-1987), von dem einzelne Werkgruppen bereits in der ersten Balkan-Ausstellung zu sehen waren.

Gleichzeitig wird Marjetica Potre vorgestellt. Die Künstlerin, die sich mit urbanen Strukturen beschäftigt, will aus der Auseinandersetzung mit Kassel ein Projekt entwickeln. Außerdem werden Filme der Bosnierin Jasmila Zbanic vorgeführt.

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