Die Kunst der kleinen Eingriffe

Dritter und umfangreichster Bestandteil von „Schon wieder abseits“ im Kasseler Fridericianum
ist eine Ausstellung jüngerer dänischer Künstler.

Ein guter Geist schwebt über der Ausstellung: Knud W. Jensen ist Pate von „Something is rotten in the State of Denmark“, was getreu nach Shakespeare „Etwas ist faul im Staate Dänemark“ heißt. Kunsthallendirektor René Block hat ihn dazu eingeladen – zum einen, weil eben jetzt das von Jensen bei Kopenhagen begründete Museum Louisiana 40 Jahre alt wird, und zum anderen, weil Jensen erst Freund, dann Berater von documenta-Gründer Arnold Bode war.

Block möchte das Museum Fridericianum in Kassel als Kunsthalle so bespielen, daß das Großereignis documenta im Hintergrund stets sichtbar bleibt. So will er in einer lockeren Ausstellungsreihe die früheren documenta-Macher wie Harald Szeemann oder Rudi Fuchs als Gastkuratoren für jeweils ein Ausstellungsprojekt einladen. Den Anfang machte er nun mit Jensen als einem Vertreter der Gründer-Generation. Jensen konnte die jetzt zu besichtigende Schau zwar nicht organisieren, er stand aber beratend zur Seite.

Die Ausstellung der 13 dänischen Künstler und Künstlergruppen ist frisch und frech zugleich. Sie ist vom selben Geist erfüllt, von dem Künstler der mittleren und jüngeren Generation auch in anderen Ländern beseelt sind. Die Vielfalt ist das Kennzeichen; und der Versuch, sich mit dem möglichst kleinen Eingriff zu begnügen, ist fast durchgängig der gemeinsame Nenner.

Die Schau der Dänen ist eingebettet in zwei Ausstellungen, die das Werk der Katalanen Joan Brossa und Carles Santos vorstellen. Der Reiz der Kombination liegt darin, daß die surreale Poesie, die vor allem Brossas Arbeiten auszeichnet, in abgewandelter Form auch bei dem einen oder anderen Dänen auftaucht. Die Brossa-Ausstellung beflügelt, solche Haltungen und Strategien wahrzunehmen. Die kleinen absurden Wandobjekte von Jytte Hoy (Jahrgang 1951) scheinen unmittelbar aus Brossas Schule zu kommen. Sie wirken heiter und laufen auf eine Pointe zu, ohne sie zu verraten.

Auch Frans Jacobi (Jahrgang 1960) kommt aus dieser Denkschule. Er konnte den besten Beitrag zu der Ausstellung leisten: Er erhielt den Zwehrenturm und richtete in den drei Räumen Hotelzimmer ein, die von wechselnden Stimmungen bestimmt sind und die, eine fast krimireife Geschichte anklingen lassen. Der Besucher muß sich aber mit dem Buchstabenmeer, das sich unten ergießt, und mit den Vogelfederwolken im ersten Stock begnügen. Sehr schön, wie durch die Stoffe und Farben der Teppichböden und Fensterbespannungen Milieus angedeutet werden.

Installationen, Foto- und Video-Arbeiten sowie Objekte geben den Ton an. Dankbar registriert man die Lust zur Komik und Ironie – etwa In Peter Lands (Jahrgang 1966) Video-Installationen, in denen stets derjenige, der aus der Rolle fällt, zum Star wird. Manche Arbeiten bewegen sich hart an der Realität. Klaus Theil Jacobsen (Jahrgang 1964) stellt als Dummy den neuen VW-Beetle vor, wobei er das schwarze Fiberglas-Objekt feinsinnig durch Bleistift- Zeichnungen (Räder, Scheinwerfer) ergänzt hat; und die Gruppe Superflex gar arbeitet an einem realen Biogas-Projekt für Afrika.

Aber auch Malerei gibt es: Hervorragend Simone Aaberg Kaerns (Jahrgang 1969) malerisches Forschungsprojekt über Militär-Pilotinnen; und schrill Christian Schmidt-Rasmussens (Jahrgang 1963) Bilder, die sich am Rande der Comic-Welt aus toben

HNA 13. 12. 1998

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