Drahtfiguren und Zeichnungen des Tschechen Karel Malich zeigt das Museum Fridericianum in Kassel. Die abstrakt erscheinenden Arbeiten spiegeln Visionen und den Blick ins Innere.
Gelegentlich gibt es erstaunliche Entsprechungen. Jetzt weisen im Kasseler Museum Fridericianum zwei Ausstellungen völlig unterschiedlichen Herkommens in die gleiche Richtung. Für beide Unternehmungen gilt in exemplarischer Weise Paul Klees Wort, daß Kunst nicht das Sichtbare wiedergebe, sondern etwas sichtbar mache: Der Kunstverein stellt, wie berichtet, Texte und Zeichnungen zu Klanginstallationen des Amerikaners Max Neuhaus vor. Die Klangwerke wirken untergründig und sind schwer darstellbar. So konzentrieren sich die Texte und Zeichnungen von Neuhaus darauf, die jeweilige Struktur und Stimmung eines Raumes anschaulich zu machen.
Auch im anderen Erdgeschoßflügel des Fridericianums geht es um Elemente jenseits der dinglichen Welt: Karel Malich (Jahrgang 1924), seit den 60er Jahren ein Hauptvertreter der tschechischen Avantgarde, sieht förmlich in das Innere der Landschaften und Körper, um in seinen Drahtplastiken den verborgenen Energieströmen Gestalt zu geben. Seine Arbeiten erscheinen spielerisch leicht und dynamisch.
Zwei Werkgruppen sind zu unterscheiden. Die eine fügt sich aus feinlinigen Drahtplastiken zusammen, die wie Raumzeichnungen wirken und schwerelos wie Mobiles von der Decke herunterhängen. Malich versteht diese Arbeiten aus den 70er Jahren als Landschaften und Strömungen. Sie sind mit simplen Mitteln aufgebaut, aber präzise gestaltet.
In der anderen Gruppe, die aus den späteren 70er und frühen 80er Jahren stammt, schließen sich die zahllosen, farbig bemalten Drähte zu Körpern und Räumen zusammen. Die Plastiken bleiben zwar leicht und in allen Richtungen durchsichtig, doch bilden sie festumrissene Formen aus. Hier wird die innere Welt verbildlicht: Energieströme bündeln sich, Silhouetten von Figuren oder Bergen scheinen auf, und hin und wieder taucht in grotesker Weise ein gegenständliches Zitat auf (Hand mit Zigarette). Trotz seiner Abstraktionstendenzen bleibt Malich der konkreten Form verhaftet.
Mit seinen Arbeiten hat Malich für sich einen Weg gefunden, der parallel zu den Bestrebungen der Avantgarde verläuft, aber unabhängig bleibt. Auf überraschende Weise vereinigen sich in ihnen Ausdrucksweisen der losgelösten Formensprache und der surreal-metaphysische
Tradition. Seine Zeichnungen und leuchtend bunten Pastelle setzen einerseits Malichs plastische Überlegungen in die flächig-bildliche Ebene um, andererseits führt er mit diesen Bildern fort, was Kandinsky einst begann: Die geistigen Kräften werden in faszinierende Farbformen gebracht.
HNA 25. 2. 1995