Fortdauer des kolonialen Denkens

Als letzte Künstlerin der Ausstellung „Echolot“ im Museum Fridericianum stellen wir die in New York lebende Iranerin Fariba Hajamadi (Jahrgang 1957) vor.

Was wissen wir über die Menschen und Kulturen der Länder, die für uns Mitteleuropäer am „Rande“ der Welt, an der Peripherie liegen? Wir wissen viel, aber verstehen wenig, weil wir die Länder oft aus der falschen Perspektive betrachten. Noch immer blicken wir auf sie wie die Kolonisatoren, die meinen, ihre Kultur sei die überlegene und sie müßten den Menschen an der Peripherie das Glück bescheren.

Das ist eine der Antworten, die die Ausstellung „Echolot oder 9 Fragen an die Peripherie“ nahelegt. Gleich mehrere Künstlerinnen machen sich diesen Standpunkt zueigen. Die Voraussetzung dafür war, daß sie aus den Traditionen arabischer und asiatischer Kulturen hervorgingen und aufgrund unterschiedlicher Biographien mit der westlichen Kultur Europas und Nordamerikas in Berührung kamen und so den fremden Blick für das eigene Land verinnerlichen konnten. Gleichzeitig übernahmen sie die künstlerischen Strategien der westlichen Kunst, um mit deren Hilfe die widersprüchlichen Wechselbeziehungen sichtbar zu machen. Das Ergebnis ist doppelt erfreulich: Ohne polemisch oder didaktisch zu werden, gewinnt die Kunst unter diesen Voraussetzungen ihre kritische Kraft zurück, gleichzeitig erneuern und öffnen sich aber auch die Ausdrucksmittel, so daß frische Energien spürbar werden.

Insofern stellt die Ausstellung „Echolot“ nicht bloß eine Gruppe vielversprechender Künstlerinnen vor, sondern bietet sich als ein Forum für Dialoge an, die sowohl der Kunst als auch dem Wechselverhältnis der Kulturen neue Perspektiven eröffnen. Eine erfreuliche Bilanz, die gerade deshalb so wichtig ist, weil „Echolot“ den Beginn der Aussteilungsreihe von René Block markiert.

Die Iranerin Fariba Hajamadi sieht das Verhältnis der westlichen zur übrigen Welt mit besonderen Schärfe. Für sie hat sich das koloniale Denken längst nicht verabschiedet. Als Zeugen für diese These zieht sie die Museen in Europa und Amerika heran, in denen die Kulturzeugnisse aus Australien, Asien und Afrika als Kuriositäten und Eroberungsstücke dokumentiert und ausgestellt werden. Und so nutzt sie die Arbeitsmittel des Museums, um die immer noch verbreiteten Klischeevorstellungen gegeneinander auszuspielen. Am besten gelingt ihr das in den farbintensiven Räumen, die sie mit leuchtend bunten Tapeten beklebt hat, auf die immer wiederkehrende Reihen von gewalttätigen und erotischen Darstellungen gedruckt sind, in denen Orientalen und Asiaten Täter sind. Die Tapeten werden zur Folie – sozusagen das Unterbewußtsein der Europäer – vor der dann Szenen aus Museen ausgestellt werden.

Die Rauminszehierungen, die anfangs nur harmlos, bunt und unterhaltend wirken, entlarven die Vereinfachungen und Verfälschungen, denen wir vielerorts auch in Museen begegnen. Allerdings funktionieren die Räume nur, wenn durchschaut wird, daß die Tapeten und Bilder nur als Vexierspiegel dienen.

HNA 16. 6. 1998

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