Aus dem Ausland kommen fast ebensoviel Besucher (9°/o) zur documenta 5 wie aus Kassel selbst (l0°/o). Und wer schon aus der Kasseler Bevölkerung den Weg in. die Ausstellung findet, der ist normalerweise Schüler, Lehrling oder Student und unter 30 Jahre alt.
Dieses Bild ergibt sich jedenfalls bisher aus dem documenta-Besucherprofil, das der deutsch-amerikanische Künstler Hans Haacke initiiert hat und das im Kommunalen Gebietsrechenzentrum Kassels ausgewertet wird. Bis Ende Juli hatten von über 60 000 Besuchern 24 000 einen Bogen mit den 20 Fragen an sich genommen; 13 000 (20°/o) ausgefüllte Fragebogen wurden abgegeben.
Der Fragebogen Haackes versteht sich politisch-kritisch. Wenn man allerdings erst einmal erfahren hat, daß 76% der Besucher, die die Fragebogen ausgefüllt haben, bis 30 Jahre alt sind, 55% ihren Beruf mit Schüler oder Student angegeben haben, dann wundert eigentlich gar nicht, daß 51% der Befragten bei einer Bundestagswahl SPD, 11% CDU, 10% FDP und 8% DKP (bei 12% Unentschiedenen) wählen würden. Dann scheint auch fast selbstverständlich, daß 39% für die generelle Freigabe der Abtreibung und weitere 36% für die sogenannte Fristenlösung sind und überwiegende Mehrheit den Einfluß der Kirchen für zu qroß und den der Gewerkschaften für zu gering halten.
Ist das documenta-Publikum also jung und links? Vorsicht ist geboten, denn immerhin haben fast 80% der Besucher auf die Befragung nicht reagiert. Und es ist naheliegend, daß gerade ältere und konservativere Besucher hier passen. Andererseits waren bis Ende Juli tatsächlich rund 60 Prozent der Eintrittskarten zu Schüler- und Studententarifen ausgegeben worden
Also: Der documenta wird damit bestätigt, daß sie ein junges und politisch betont progressiv eingestelltes Publikum anlockt, das über eine umfangreiche Vorbildung verfügt. Es ist eben eine Ausstellung für Eingeweihte, die zu 24% von sich behaupten, sie
hätten ein berufliches Interesse an Kunst.
HNA 24. 8. 1972