Die Gehirne von Jesus, Marx und Broodthaers

Die Kunsthalle Fridericianum präsentiert das „Museum of Contemporary Art & More“ von Meschac Gaba

Es riecht nach Provokation: In der Rotunde der Kasseler Kunsthalle Fridericianum stehen zwölf Aquarien, in denen die Gehirne jener Menschen schwimmen, die für Meschac Gaba (Jahrgang 1961) zu den großen Geistern der Menschheit gehören – Jesus Christus und Karl Marx, Mahatma Gandhi und Louis Pasteur, Harald Szeemann und Marcel Broodthaers. Der seit 1996 vornehmlich in den Niederlanden lebende afrikanische Künstler spielt mit dieser neuen Arbeit unter dem Titel „Lake of Wisdom“ (See der Weisheit) auf die Absurditäten des Kunstmarktes (die eingelegten Tiere eines Damien Hirst) ebenso an wie auf die Erinnerungsarbeit der Ruhmeshallen und Museen.

Die Sammlung der Gehirne ist genauso fiktiv und voller Realitätsgehalt wie das Adlermuseum von Marcel Broodthaers. Wie Broodthaers denkt Gaba intensiv über Rolle des Museums, des Objekts und des Kunstmarktes nach, indem er seit 1997 an seinem „Museum of Contemporaty Art“ arbeitet. 2002 hatte Gaba drei der zwölf Museumsabteilungen in der Documenta 11 präsentiert. Nun kann Kunsthallendirektor Rein Wolfs erstmals das komplette Museum vorstellen. Dafür hat Gaba das komplette erste Obergeschoss im Fridericianum erhalten.

In seinem Museum verknüpft Meschac Gaba Reliquien des alltäglichen Lebens mit Handwerklichem und Künstlerischem. Im „Marriage Room“ sind Bilder und Relikte seiner eigenen Hochzeit zu sehen, und im „Game Room“ fordern Spieltische die Besucher heraus. Zwangsläufig landet man bei den Schlüsselfragen: Was bleibt vom Leben, und wie verwandeln sich die Dinge in Kunst? Dabei wendet sich der Konzeptkünstler auch immer wieder den Realitäten Afrikas und seines Heimatlandes Benin zu, indem bei der Anfertigung eigener Objekte bewusst macht, wie stark dieser Kontinent auf das Recycling von Wegwerfprodukten angewiesen ist. So geht es auch stets um Geld und den Warencharakter von Kunst. Wie sehr Meschac Gaba diese Gedanken beschäftigen, wird in Kassel unübersehbar vorgeführt: Nur über den Museumsshop gelangt man ins eigentliche Museum.

„art“, September 2009

PS: Der Text wurde sechs Wochen vor Ausstellungseröffnung geschrieben. Während der Zeit änderte Meschac Gaba sein Konzept, so dass einige Arbeiten, insbesondere „Lake of Wisdom“, anders präsentiert wurden, als Gaba ursprünglich vorhatte.

Schreibe einen Kommentar