Skulptur symbolisiert drei Flüsse

Nachdem der international bekannte russische Künstler Ilya Kabakov im Herbst 1998 das Kunstprojekt „Drei Räume – Drei Flüsse“ mit seiner „alten Brücke“ eröffnet hatte, präsentierte Kurator Jan Hoet als zweites den Beitrag einer Bildhauerin, die für den internationalen Kunstmarkt eine völlige Neuentdeckung bedeutet: Die 1970 geborene Amerikanerin Bonnie Collura hatte im Jahr zuvor in New York gerade ihre erste Einzelausstellung; außerhalb der Staaten war sie auch noch nicht vertreten. Gleichwohl arbeitet sie mit großer Selbstsicherheit und Klarheit.

Bonnie Collura ist eine Kunstlerin, die Erfahrungen, Erinnerungen und Bilder greifbar machen will. Wenn sie ihre Vorgehensweisen schildert, dann scheint es fast zwangsläufig zu sein, daß sie zur Mitarbeit an dem Kunstprojekt der Drei-Flüsse-Stadt eingeladen wurde. Denn wie das Wasser der Flüsse ständig in Bewegung ist und seine Gestalt verändert, so sucht sie selbst nach Formen, die sichtbar und fühlbar machen, wie das eine in das andere übergeht.

Ihre Skulpturen sind daher erzählerisch angelegt, bestehen aus sehr starken figurativen Elementen, doch verweigern sie Eindeutigkeiten. So zeigte sie in New York ihre auch hier abgebildete Skulptur, bei der man nicht weiß, ob die Frauenfigur tierische Attribute bekommt oder in dem Tier ein menschliches Wesen steckt.

Die New Yorker Künstlerin ist fasziniert von den Mythen und Märchen, von den Gestalten, die etwas Unerklärliches in sich tragen und die sich der Analyse der Vernunft entziehen. Diese Betrachtungsweise, die es ermöglicht, in einer Arbeit viele gegensätzliche Aspekte in einer Arbeit zusammenzuführen, ist auch eine gute Basis für das Mündener Projekt, das Bonnie Collura „Triad“ (Dreiheit) nennt: Es handelt sich um eine aus drei Elementen zusammengesetzte und in drei Ebenen untergliederte Skulptur, die auf der Insel Tanzwerder die drei Flüsse symbolisiert.

Vor einem angedeuteten mittelalterlichen Mauerbogen sieht man eine sich nach vorne beugende Frau. Ihre beiden (von ihr gelösten) Arme halten auf der mittleren Ebene
zwei ausgießende Bottiche, die für Fulda und Werra stehen. Und unten auf dem Boden liegt – mit dem Kopf über einer Wasserschale – eine andere Frauenfigur, die die Weser verkörpert.

Aufsehen erregte die Skulptur vor allem auch durch ihre Farbgebung: Inmitten des Grüns strahlt sie in leuchtendem Hellblau. Mehr noch als der berühmte Weserstein hilft sie den Sinn des Ortes deuten.

HNA 9. 7. 2000

Schreibe einen Kommentar