Cranachs Bilder als Lehrprogramm

Mit einer kleinen, thematisch enggefaßten Ausstellung würdigt die Eisenacher Wartburg Lucas Cranach d. Ä. als den programmatischen Maler der Reformation.

Das Jubiläum, das in diesem Jahr den Anlaß zu einer Reihe von Cranach-Ausstellungen gibt, liegt nicht auf der Hand: Vor 450 Jahren, im Jahre 1544 also, weihte Martin Luther die Torgauer Schloßkapelle, die von Cranachs Werkstatt ausgemalt worden war, als ersten protestantischen Kirchenbau ein. Kronach, die Geburtsstadt von Lucas Cranach d. Ä. (etwa 1472 – 1553), ehrt deshalb den berühmten Sohn mit einer großen Ausstellung.

Eine weitere, kleinere Cranach-Ausstellung plant das Gothaer Schloßmuseum zum Thema „Gotteswort und Menschenbild“. Den Ausstellungsreigen begann gestern die Wartburg, wobei der Eröffnungstermin auf einen Gedenktag gelegt worden war: Am 4. Mai 1521 fand Luther Zuflucht auf der Wartburg vor den kaiserlichen Truppen.

Die dortige konzentrierte Cranach-Ausstellung steht auch, wie der Titel „Gesetz und Gnade – Cranach, Luther und die Bilder“ signalisiert, in enger Beziehung zum Wirken des Reformators. Sie veranschaulicht, daß Cranach und seine florierende Werkstatt Luthers Neudefinition der Glaubensgrundsätze programmatisch in Bilder übertragen haben: Der Christ habe nicht die Gesetzesreligion und den richtenden Gott zu fürchten, sondern habe auf die aus der Gnade kommende Erlösung zu hoffen. Dabei hat Cranach, wie Ernst Badstübner, der Burghauptmann der Wartburg, in dem Katalogheft (64 S., 9,80 Mark) schreibt, in Kauf genommen, daß in den Bildern die Lehre vor die künstlerische Ausführung trat. Andererseits sei durch sie das protestantische Bilderverbot überwunden worden.

Das Gothaer Cranach-Bild „Verdammnis und Erlösung“ von 1529, das zum Schlüsselwerk der Wartburg-Ausstellung wird, ist durch den Baum des Lebens in zwei Hälften geteilt, die das Wirken von Gesetz und Gnade plakativ gegeneinanderstellen. In anderen Tafelbildern (wie in dem in Prag befindlichen „Gesetz und Erlösung“) sowie mehreren Holzschnitten gelang es Cranach, die Gegen sätzlichkeit der Glaubenswelten in eine geschlossene Komposition zu bringen. Als End- und Höhepunkt der Entwicklung gilt das Altarbild in der Weimarer Herderkirche, das Cranachs Sohn vollendete und zugleich zum Denkmal für Luther und seinen Maier wurde. Diese Altartafel ist allerdings nur als Reproduktion zu sehen.

Das Zentrum der Ausstellung bilden neben dem Gothaer Gemälde die aus Leipzig kommenden Bilder „Moses und den Gesetzestafeln“ sowie „Anbetung des Kindes durch die Heiligen Drei Könige“ und das Werkstattbild „Das Heilswerk Christi in reformatorischer Auffassung“ (nach 1530, Aschersleben). Einen weiteren Höhepunkt bergen die Vitrinen mit Luthers Zerbster Prunkbibel, für die Cranach in leuchtenden Farben kolorierte Holzschnitte schuf. Die Wartburg selbst kann einige vorzügliche Holzschnitte, darunter auch farbige Blätter, zum Luther-Bild der Cranach-Zeit beisteuern.

Natürlich gehören zum festen Bestand der Wartburg auch Cranachs berühmte Luther-Porträts sowie einige and andere Bildnisse. Diese insgesamt elf Tafeln von Cranach und seiner Werkstatt sind jedoch nicht in die Ausstellung einbezogen, sondern sind innerhalb der ständigen Sammlung zu sehen. Vor allem die Gemälde „Junge Frau mit Kind“ und „Madonna mit der Weintraube“ sollten nicht übersehen werden. Dieser Rahmen ist es, der der Wartburg-Schau Gewicht gibt.

HNA 5. 5. 1994

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