Huldigung an den Reformator

Die Wartburg gilt als eine wichtige Station auf dem Weg zur Durchsetzung der Reformation. Daher wurden in der Wartburg-Sammlung seit Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Kunstwerke vereinigt, die direkt oder indirekt Bezug zu Luthers Wirken haben. Das Bildnis des Kurfürsten Friedrich des Weisen, der Luther Schutz bot, gewinnt von daher zentrale Bedeutung.

Die Gestalt ist mächtig. Sie scheint sich zu einer großen ovalen Form zu runden, die nahezu die halbe Bildfläche einnimmt. Auch der Kopf mit dem Backenbart verstärkt die massive Wirkung. Da sitzt einer, der sich seiner Macht bewußt ist, in sich ruhend und doch auch in gewisser Weise angespannt, würdig ernst, aber mit einem Zug ins Mürrische.

Lucas Cranach und seine Werkstatt haben eine Fülle solcher Bildnisse hervorgebracht. Es sind Herrscherporträts, Menschen, die mit Macht ausgestattet sind und die sich eben als die Mächtigen darstellen lassen. Cranachs Werkstatt bevorzugte das Halbprofil. So sieht man ins Gesicht, kann aber auch eine Kopfseite studieren. Der Blick des Porträtierten geht am Betrachter vorbei, in die Ferne, ins Zeitlose.

Das Bildnis, das wir vor uns haben, zeigt den Kurfürsten Friedrich den Weisen (1463 – 1525), jenen sächsischen Herrscher, der Martin Luther Schutz vor der Strafverfolgung durch den Kaiser und die römische Kirche bot. Das Gemälde bildet die breite Mitteltafel eines Triptychons, auf dem links und rechts noch die Bildnisse von Johann dem Beständigen und Johann Friedrich dem Großmütigen zu sehen sind. So sind in dem Triptychon die Porträts der drei Kurfürsten vereint, die zu Luthers Zeit lebten und regierten. Eine Huldigung an den Reformator also.

Die Bildnisse von Friedrich dem Weisen und Johann dem Beständigen sind in der Gestaltung und im Ausdruck (bis in die Kleidung und Mimik hinein) so ähnlich angelegt, daß unschwer zu erkennen ist, daß es sich um Brüder handelt. Aber Friedrich der Weise steht im Zentrum. Ihm ist die größere Bildtafel gewidmet. Während die beiden anderen ihre Hände vor ihrem Bauch zusammengelegt
haben, hält Friedrich mit der rechten Hand seitlich die mit Perlen besetzte Kurfürstenkrone. Sie hat die gleiche ovale, massive Form wie der Körper. Ganz im Gegensatz dazu steht der zierliche Blumenschmuck im Hintergrund – eine kleine Vase mit Ehrenpreisstengeln. Diese für unsere Augen fast unauffällige Beigabe war ein wesentliches Attribut: Sie symbolisiert das hohe Ansehen, das der weise Kurfürst genoß.

Lucas Cranach (1472 – 1553) hat Kurfürst Friedrich 1519 in einem ganz ähnlichen Bild porträtiert. Seine Werkstatt vervielfältigte – mit kleinen Abweichungen – die einmal gefundene
Bildidee. Vor allem nach dem Tod Friedrichs wurden dessen Porträts in großer Zahl hergestellt. Sie sollten den Ruhm des Kurfürsten und damit des Herrscherhauses festigen.

Offenbar hat dieses Triptychon ein an Cranach geschulter Künstler geschaffen, der sich nicht bloß als Nachschöpfer fühlte: Er brachte in sein Werk das Monogramm GIL mit ein.

HNA 30. 1. 1994

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