Er ist in allem ungewöhnlich – wie er an sein großes Werk herangeht, wie er die Öffentlichkeit einbezieht und wie er sich selbst präsentiert. Da paßt es ins Bild, daß er diesen Weg, noch ehe er ihn zu Ende gegangen ist, spiegelt. Ist Jan Hoet, der künstlerischer Leiter der Kasseler documenta 9 (1992), also vor allem ein hervorragender Selbstdarsteller, einer, der die documenta benutzt, um sich ins Szene zu setzen?
Natürlich versteht der Genter Museumsmann viel vom Geschäft. Und wenn man durch diesen Band blättert, dann erscheinen einem auch einige der Hoet-Porträts (lebendig von Benjamin Katz aufgenommen) entbehrlich. Trotzdem wäre es zu billig, das Ganze nur als ein Hoet-Festival abzutun. Das Buch ist tatsächlich ein guter Wegbegleiter zur documenta 9. Ohne daß ein Konzept vorgelegt und erläutert wird, ohne daß Künstlerlisten ausgebreitet werden, bietet der Band eine erste Einstimmung in das Klima, in dem Hoet seine Kunstschau vorbereitet.
Vor allem Hoets Brief aus Couvin, in dem er tagebuchartig seine Denkstrukturen offenlegt, seine Liebe und seine Gedanken zur Kunst beschreibt, seine Vor- und Gegenbilder erläutert und die documenta ins Visier nimmt, ist ein vorzüglicher Einstieg in die documenta-Vorbereitung. In manchem erinnert dieses mitreißend sprudelnde Gespräch mit einem unsichtbaren Gegenüber an den documenta-Vater Arnold Bode, der ebenfalls auf die Kraft der sprunghaften Rede setzte und ständig im Dienst der Kunst um die Menschen warb.
Wer das gelesen hat, weiß nicht, wie die documenta 9 aussehen wird. Doch vielleicht stellt er die richtigen Fragen. In einem zweiten Textbeitrag liefert Jan Braet ein Porträt des Ausstellungsmachers Jan Hoet – die Vorgeschichte also. Spannender sind die Beobachtungen, die Nicolai Forstbauer als ein zeitweiliger Begleiter Hoets auf dem Weg zur documenta mitteilt. Hier wird in treffender Weise die unorthodoxe Art der Ausstellungs-Planung dokumentiert.
HNA 9. 11. 1991