Fotografie, Collafe und Malerei

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Der englische Künstler Richard Hamilton ist in diesem Frühjahr 75 Jahre alt geworden. Nach 1968 und 1977 wird er dieses Jahr zum dritten Mal an der documenta teilnehmen.

Die documenta 4 von 1968 war die Ausstellung, in der die Pop-art triumphierte. Unter den ausstellenden Künstlern war Richard Hamilton, der 1956 mit seiner Collage „Was macht eigentlich unser Zuhause so anders, so anziehend?“ das legendäre Schlüsselbild der Pop-art geschaffen hatte. In
dieser Collage waren alle Klischees des Bürgertums versammelt – von der Reklame für Reizwäsche über die Status-Symbole Auto, Fernsehen und Tonbandgerät bis hin zu den Möbeln eines gediegenen Wohnzimmers.

Zentrale Figur der Collage war ein Bodybuilder, der das Stichwort in der Hand hielt: „Pop“. Die Bilder, die uns im Alltag umgeben, versammelte Hamilton und machte sie damit in einer neuen Form bewußt. Das ist 41 Jahre her, aber Richard Hamilton schreibt immer noch Kunstgeschichte.

Es war zeitweise relativ still um Hamilton geworden – nicht, weil er nichts produziert hätte, sondern wohl eher, weil sich seine Arbeiten dem einordnenden Zugriff des Kunstmarktes entzogen. Die Bewunderer seiner Arbeit setzt er immer wieder mit unerwarteten Bildern in Erstaunen.
Richard Hamilton zeichnet, malt, collagiert, fotografiert und bearbeitet Fotografien. Stets geht es ihm dabei um das Wesen des Bildes, um die Mittel, mit deren Hilfe es entsteht, und um seine Wirkung. Hamilton analysiert die Kunst auf anschaulich-sinnliche Weise: Hier umreißt er eine Körperform
mit einer knappen, plastisch konturierenden Linie, da ummalt er ein aufgeklebtes Foto, dann wieder komponiert er eine impressionistische Landschaft und schließlich reduziert er ein Foto auf seine Farbwerte. Besonders nachdrücklich prägen sich die Arbeiten ein, in denen einzelne fotografische Elemente eine Situation oder Handlung andeuten, in denen die Malerei aber den Raum nicht vollendet, sondern als Torso stehen läßt.

Richard Hamilton hat sich oft auch – mit anderen künstlerischen Haltungen auseinandergesetzt. Als er Francis Bacon porträtierte, näherte er sich dessen malerischer Auffassung an. Dann wieder schuf er verträumt sanfte Landschaftskompositionen – hart an der Grenze zum Kitsch.

Es gibt kaum eine Technik in dem Bereich, die Hamilton nicht ausprobiert hätte. Dabei nutzte er auch die Warenwelt, um mit Elementen seines Namens zu spielen: Ein Foto zeigt ihn, wie er vielfach von dem Schriftzug „Richard“ umgeben ist.

Damit konnte er die Ursprungsidee der Pop-art erneut illustrieren: Die Wirklichkeit liefert bereits die fertigen Bilder.

HNA 25. 4. 1997

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