Zufriedene Gesichter zum documenta- Schluß: 609 000 zahlende Besucher sorgten dafür, daß die Ausgabe, die auf die Höhe von 19 Millionen Mark explodierten, voll gedeckt werden.
Am Schluß waren alle gerührt, und documenta-Leiter Jan Hoet kamen gar die Tränen, als er von dem Zuspruch der Besucher und Bürger erzählte, den er immer wieder in Kassel erhalten habe.
Der belgische Museumsleiter war zuvor bei der Bilanz-Pressekonferenz im Kasseler Rathaus mit Lob und Dank überschüttet worden. Für alle ist klar, daß die neunte documenta untrennbar mit Hoets Namen verbunden bleiben wird, denn wie kein anderer vor ihm hat er sich auch während der Ausstellungszeit für die documenta und ihre Künstler engagiert.
In jeder Beziehung hat diese documenta Rekorde aufgestellt. Hatte der Etat der vorigen Kunstschau noch bei 10,2 Millionen Mark gelegen, so explodierte der Haushalt für 1992 erst auf eine Höhe von 15,6, dann von 17,7 und zuletzt von 19 Millionen Mark. Der Besucherandrang, Verkaufserlöse und Sponsorengelder sorgten dafür, daß dieser Etat gedeckt ist und der Zuschußanteil nur rund ein Drittel ausmacht.
Während die vorige documenta 476 000 Besucher angelockt hatte, kamen in diesem Jahr 609 000 zahlende Ausstellungsgäste. Daß die Besucherstatistik in der letzten Woche so hochschnellte, hatte einmal mit dem Schlußspurt vieler Kunstfreunde zutun, ist aber auch auf das jetzt erfolgte Einrechnen von Geschenkgutscheinen und anderen Kartenkontingenten zu erklären. Die Suche nach
dem nächsten documenta-Leiter soll nach den Worten von Kassels Oberbürgermeister Wolfram Bremeier noch im Oktober beginnen. Jan Hoet ist zur Mithilfe bereit, sofern es wünscht wird. Entschieden wandte Hoet sich gegen Überlegungen, die documenta wieder im Vier-Jahres-Rhythmus stattfinden zu lassen.
Die hessische Ministerin Wissenschaft und Kunst, Prof. Evelies Mayer, meinte die documenta habe sich als Zentrum für den kulturellen Dialog bewährt. Mit ihrer offenen Verbindung von Kunst und Kommerz habe sie auch Kritik provoziert. Auch müsse man fragen, ob die documenta nicht an die Grenzen ihres Wachstums gestoßen sei.
In seiner Bilanz hatte Hoet noch einmal seine Grundgedanken umrissen. Er räumte ein, daß es in der Ausstellung auch für ihn Enttäuschungen gegeben habe. Mit allem Nachdruck aber meinte er: Mich interessiert Kunst nicht als Selbstzweck. Kunst müsse immer ein Vehikel für die Menschlichkeit sein.
HNA 22. 9. 1992