Ein Wagnis der Moderne im Sowjetland

Zum zweiten Mal lenkt AND AND AND den Blick in die Regionen der früheren Sowjetunion (UdSSR). Nachdem im August das Sommerseminar im armenischen Eriwan mit seinen Debatten über die Rolle der Kunst in der post-sowjetischen Zeit thematisiert worden war, geht es nun um eine gesellschaftspolitische, architektonische und künstlerische Auseinandersetzung mit der Archiktektur in Georgien und speziell in Tiflis. Dabei macht AND AND AND den in New york lebenden georgischen Künstler Vladimir Volvonik zum Botschafter und Vermittler.

Volvonik war im Juli in seine Heimatstadt Tiflis zurückgekehrt, um an einer Tagung teilzunehmen, zu der Künstler, Architekten, Autoren und Wissenschaftler eingeladen waren und die sich um das Thema „Gefrorene Momente: Die Architektur spricht zurück“ drehte. Volnovik glaubt, dass jetzt der ideale Zeitpunkt für eine Bilanz sei: „Wir haben 20 Jahre im sogenannten Kommunismus und 20 Jahre im sogenannten Kapitalismus gelebt, und vielleicht ist jetzt der beste Moment, in dem wir die Dinge klar erkennen können.“

Allerdings sehen sich diejenigen enttäuscht, die nur eine erneute Diskussion über stalinistischen Repräsentationsbau und Plattenbausiedlungen erwarteten. Denn in Tiflis ist mitten in der Sowjetzeit eines der erstaunlichsten Gebäude der Welt errichtet worden, der an einem Hang aus sich rechtwinklig kreuzenden Riegeln gebaut worden ist. Der aus vier Ebenen bestehende Bau nutzt geschickt die Hanglage, löst die monumentale Architektur auf und verbraucht dennoch wenig Grundfläche.

Ministerium 1 Ministerium 2

Das Gebäude ist 1975 fertiggestellt worden und beherbergte das Ministerium für Transport und Verkehr und soll künftig die Verwaltung der Bank von Georgien aufnehmen. Entworfen hatten den heute noch futuristisch wirkenden Bau die Architekten George Chakhava (1923–2007) and Zurab Jalaghania. Dass dieser wagemutige Entwurf realisiert werden konnte, ist wohl vor allem der Tatsache zu verdanken, dass Chakhava nicht nur Architekt, sondern gleichzeitig Vizeminister für das Transportwesen war und somit auch für die Vergabe sorgen konnte. Das Gebäude befindet sich in einem ruinenhaften Zustand, soll jetzt aber von der Bank von Georgien saniert und wieder zum Vorzeigeobjekt gemacht werden.

Das frühere Ministeriumsgebäude macht deutlich, dass es sich in Tiflis sehr wohl lohnt, städtisches Bauen zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Ostblock-Uniformität und Moderne zu diskutieren.

An der Tagung in Tiflis nahmen auch alte documenta-Bekannte teil – der Architekt Yona Friedman, der an der Documenta11 beteiligt war und durchaus von solchen luftigen, hoch aufgeschichteten Bauten geträumt hat, und Georg Schöllhammer, der zur documenta 12 das internationale Zeitschriftenprojekt betreute. Außerdem war die georgische Künstlerin Sophia Tabatadze dabei, die voriges Jahr eine Ausstellung im Göttinger Kunstverein bestritt.

15. 10. 2010

Schreibe einen Kommentar