Eine der fünf wichtigsten documenta-Ausstellungen

Statement zur dOCUMENTA (13) für die Neue Osnabrücker Zeitung

Der gern auf die documenta angewandte Begriff Weltkunstausstellung ist zur Charakterisierung der dOCUMENTA (13) erstmals und ohne Einschränkungen anzuwenden. Nicht nur, dass die 180 Künstler aus 55 Ländern kamen, spricht dafür, sondern auch die Tatsache, dass die künstlerische Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev (CCB) eine Ausstellung organisierte, in der Platz für alle zur Zeit bekannten künstlerischen Haltungen war – einschließlich der Kunst der Aborigines und die bildnerische Arbeit von Laien (Korbinian Aigners Apfelbilder). Zudem gelang es, einen weltumspannenden Dialog zu entfalten, in dem lokale Probleme und Traumata (Zerstörung Kassels und das zeitweilige KZ Breitenau vor den Toren Kassels) auf Augenhöhe mit internationalen Konflikten (Afghanistan) behandelt wurden.
Die von Catherine David eingeleitete Öffnung der Kunstausstellung zu den anderen Künsten und zur Kultur allgemein wurde unter CCB fortgeführt und verstärkt. Dabei öffnete sie zugleich zwei neue Wege. Auf dem einen verband sie die Gegenwart mit den Tiefen der Geschichte (das Meteoriten-Projekt von Faivovich & Goldberg), auf dem anderen brachte sie Kunst, Handwerk und Wissenschaft (Anri Salas perspektivisch verzerrte Uhr) zusammen.
Wichtiger als CCBs These zum Fühlen und Denken unbelebter Natur ist die Neustrukturierung der Ausstellung. Die dOCUMENTA (13) präsentierte fast überwiegend Werke, die eigens für diese Ausstellung und ihre spezifischen Orte entwickelt worden waren. Mit ihrer Eroberung des Parks Karlsaue und der Kasseler Innenstadt übertrumpfte sie die DOCUMENTA IX, die bisher als expansivste Ausstellung galt.
CCB ließ in der Ausstellung deutlich ihre ordnende Hand spüren. Das „Brain“ im Fridericianum dokumentierte das als visuelles Vorwort der Ausstellung ebenso wie das nahezu leergeräumte Erdgeschoss des Fridericianums. Teil dieser unübersehbaren Inszenierung war auch ihr Versuch, an die Stelle eines großen Ausstellungspalastes antimuseale Gartentäuschen zu setzen. Doch diese Absage an den white cube funktionierte überraschend gut. Eine neue Dimension von Ausstellungsdramaturgie wurde sichtbar.
Die dOCUMENTA (13) ist hoch politisch und brisant angelegt worden. Sie bescherte den Besuchern aufregende und wunderschöne Installationen – wie die vielschichtigen Video-Arbeiten von William Kentridge, Joan Jonas und Nalini Malani, die großartigen Kreidezeichnungen von Tacita Dean aus der Bergwelt Afghanistans oder der Video-walk von Miller & Cardiff sowie andere Klang-Installationen.
Die dOCUMENTA (13) lud zu einem intensiven politisch-historischen und philosophischen Diskurs ein und präsentierte sich zugleich als höchst sinnliches Erlebnis. Sie gehört zu den fünf wichtigsten Ausstellungen in der documenta-Geschichte gehören.

11. 9. 2012

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