Eine Ausstellung setzt Zeichen

Was von der documenta in Kassel blieb – Skulpturen prägen das Stadtbild

Es ist eine eiserne Re¬gel, dass jeweils im documen¬ta-Jahr der Friedrichsplatz frei sein muss, damit, wenn die Kunst es verlangt, dort Skulp¬turen oder Installationen auf¬gebaut werden können. Im Sommer 1977 aber war der Friedrichsplatz nicht frei, sondern eine große Baustelle.

Ein von einem Bauzaun umgebener Bohrturm über¬ragte den Platz, und Baustel¬lenlärm war weithin zu hören. Was war hier schief gelaufen? Nichts. Zwar war die Baustel¬le, die für viele Bürger zum Är¬gernis geworden war, selbst kein Beitrag zur documenta 6, doch sie bereitete eines der größten documenta-Werke vor: Walter De Maria ließ ein tausend Meter tiefes Loch in den Friedrichsplatz bohren, um in ihm den „Vertikalen Erdkilometer“ zu versenken.

Heute ist das mit viel Getöse entstandene Werk die unauf¬fälligste und stillste documen¬ta-Skulptur, die in Kassel ge¬blieben ist. Man sieht lediglich das Ende des Messingstabes, eine Scheibe von fünf Zenti¬metern Durchmesser, in einer Sandsteinplatte.
Weit spektakulärer ist der am Auehang aufgestellte Rah¬menbau von Haus-Rucker-Co, der zur schönen Aussicht ein¬lädt und der von der damali¬gen Stadtsparkasse angekauft wurde. Mit der documenta 6 kam auch der Laserstrahl von Horst H. Baumann in die Stadt, der vom Zwehrenturm aus farbige Strahlen zur Oran¬gerie und zum Herkules schickte.

Nachdem der Laser ver¬schwunden war, half das do¬cumenta forum, ein neues Ge¬rät zu installieren. Und schließlich strandete als Ge¬schenk das Polyesterboot, mit dem der Künstler Anatol die Fulda aufwärts nach Kassel gekommen war, vor der Hein¬rich-Schütz-Schule.

Fünf Jahre später entstand das gewaltigste und nachhal¬tigste documenta-Werk über¬haupt – das Projekt „7000 Ei¬chen“ von Joseph Beuys. Der Berg mit den Basaltstelen, die jeweils zu einem Baum gestellt wurden, sorgte zwar erst für Ärger, doch heute sind die meisten mit den Alleen ver¬söhnt, die wir dem Projekt verdanken. 1982 gewann Kas¬sel auch ein weiteres Wahrzei¬chen: Claes Oldenburg stellte in Verlängerung der Achse vom Herkules am Fuldaufer seine zwölf Meter hohe Stahls¬kulptur „Spitzhacke“ auf. Aus dem Jahr stammt eben¬falls die Granitskulptur von Ulrich Rückriem neben der Neuen Galerie, in der weitere documenta-Arbeiten zu sehen sind.

Eigentlich hätte aus der do¬cumenta 7 auch eine Back¬steinskulptur in Form eines verschlossenen Hauses von Per Kirkeby hinter der Oran¬gerie stehen bleiben sollen. Doch die Stadt ließ das Bau¬werk abreißen. 1992 jedoch gelang es, von Kirkeby eine Backsteinskulptur (als ein of¬fener Durchgang) in Verlän¬gerung der documenta-Halle zu erhalten.

Ebenfalls aus der documen¬ta IX von 1992 blieb ein Teil der farbigen Terrakottafigu¬ren „Die Fremden“ auf dem Portikus am Kaufhaus Sinn¬Leffers in Kassel. Dieser docu¬menta verdanken wir auch das populärste Werk, die heute vor dem Kulturbahnhof stehende Arbeit „Man walking to the sky“. Sie erhielt sehr schnell den Namen „Himmelsstür¬mer“ und eroberte so sehr die Herzen der Kasseler, dass sie für den Ankauf spendeten.

HNA 27.12. 2005

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