Mix aus Dokumentation und Poesie


Künstler der Documerita 11: „Black Audio Film Collective“ auf der Suche nach Identität

Stärker als zu früheren documenten werden zur Documenta 11 Künstlergruppen und Kollektive eingeladen. Wo es um Film-, Video- und Internetprojekte geht, schließen sich oft mehrere zu einem Team zusammen, um die Möglichkeiten besser ausschöpfen zu können.

1983 bildete sich in Großbritannien das „Black Audio Film Collective“, das es sich zur Aufgabe machte, der schwarzen Bevölkerung zu einer eigenen Bild-und Filmsprache zu verhelfen. Den Anlass dazu hatten die Rassenunruhen zu Anfang der 80er-Jahre in England, insbesondere in Birmingham, geboten. Sie waren durch die hohe Arbeitslosigkeit unter den schwarzen Bevölkerungsgruppen und durch die Rassendiskriminierung ausgelöst worden.

In dem Kollektiv hatten sich sieben Filmemacher – vom Produzenten bis zum Regisseur – zusammengefunden. Es bestand bis 1998. Der führende Kopf der Gruppe, der Regisseur John Akomfrah, drehte zahlreiche preisgekrönte Filme. Einige der bekanntesten sind. „Martin Luther King“, „Seven Songs for Malcolm X“ und „Testament“.

Der Film, der das „Black Audio Film Collective“ berühmt machte, ist der 1986 entstandene Streifen „Handsworth Songs“, der sich auf die Rassenunruhen in Handsworth (Birmingham) bezieht. Ausgehend davon, dass es bis dahin nur nüchterne Dokumentationen der Unruhen gab, wollte das Kollektiv eine Komposition schaffen, in der es nicht nur um das Außenverhältnis der Schwarzen geht, sondern auch um deren eigene Suche nach Identität und um deren eigene Widersprüche.

Der Film gilt als ein Werk, das an die Formen des neuen Kinos in Frankreich (Godard) und Deutschland (Kluge), anknüpft. Er arbeitet mit dokumentarischen Aufnahmen von den Unruhen, in die Interviews mit Bewohnern von Handsworth geschnitten sind, und die durch innere Monologe und Archiv-Aufnahmen von früheren Immigranten ergänzt werden.

Ironische Brechungen und vitale Musikeinspielungen machen aus dem Film eine vielschichtige Produktion, die die Aufarbeitung der postkolonialen Geschichte genauso wichtig nimmt wie die Spiegelung der persönlichen Gefühle. Der Kampf der Schwarzen gegen Unrecht und Unterdrückung fand sein Sprachrohr in der Black-Power-Bewegung.Deren Radikalität rief ihrerseits Missverständnisse und Ungerechtigkeiten hervor, die in dem Film „The Passion of Remembrance“ (Leidenschaft der Erinnerung) thematisiert werden: Es wird von Auseinandersetzungen innerhalb einer Familie über die Frage erzählt, ob der offenbare Sexismus zwangsläufig Teil der Black-Power-Bewegung sei. Die Frau wehrt sich gegen diese männliche Vorstellungswelt.

Dieser ernste und kämpferisehe Hintergrund wird menschlich, unterhaltsam und poetisch aufgefüllt durch bewegende Bilder und musikalischen Reich¬tum (von Calypso bis zu Pop). Das bedeutet, dass die Schwarzen, die sich in der englischen Gesellschaft als Benachteiligte und Unterdrückte fühlen, als Menschen von großem Selbstbewusstsein und mit einem eigenen kulturellen Wertegefühl vorgestellt werden.

HNA 24. 4. 2002

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