Reiche Schätze aus dem Fundus

Neben des Malers Geburtsort Kronach und der Eisenacher Wartburg widmet auch das Gothaer Schloßmuseum Friedenstein Lucas Cranach d. Ä. (um 1472 – 1553) eine Ausstellung.

Erst im Frühjahr entschied sich das Gothaer Schloßmuseum, an den Cranach-Ehrungen teilzunehmen und eine eigene Ausstellung zu planen. Der späte Entschluß hat zur Folge, daß eines der Hauptwerke aus dem Bestand, Cranachs Lehrbild „Verdammnis und Erlösung“ (1529), zum Ausstellungstermin nicht verfügbar ist – es war schon der Wartburg zugesagt. Jetzt kann nur ein Großfoto gezeigt werden. Auch der andere Schatz, das Doppelporträt von Christus und Maria (um 1516/1520), das beide wie ein (Ehe-)Paar zeigt, ist nur als Foto zu bewundern. Das außerordentlich fein, fast psychologisierend gemalte Bild sollte nach Kronach, befindet sich aber noch in der Restaurierungswerkstatt.

Trotz dieser Einschränkungen ist dem Gothaer Museum eine bemerkenswert vielfältige Ausstellung gelungen, die neben den bekannten Beständen reiche Schätze aus dem Fundus – insbesondere aus dem Kupferstichkabinett und der Forschungs- und Landesbibliothek – einschließt. Während sich die Wartburg-Ausstellung auf Cranach als den Maler und Propagandisten der Reformation konzentriert, wurde die Bildauswahl in Gotha unter dem Titel „Gotteswort und Menschenbild“ weiter gefaßt, außerdem wurden die Werke der Zeitgenossen Cranachs sowie natürlich die seiner Werkstatt und seines Sohnes einbezogen.

Das Schloßmuseum nutzte die Ausstellung als gestalterischen Impuls und ordnete die deutsche Malerei des 16. Jahrhunderts neu. Vor allem erhielt das Prunkstück der Sammlung, der um 1540 in der Werkstatt des Heinrich Füllmaurer entstandene „Gothaer Tafelaltar“ mit seinen drei Flügelpaaren und insgesamt 160 Einzelbildern jetzt einen solchen Platz, daß man zumindest andeutungsweise die Bilderfülle bewundern kann. Der Altar war als Bilderpredigt gedacht und erzählt im Sinne der Lutherschen Bibelübersetzung das Leben Jesu. Werke wie dieser Tafelaltar dokumentieren, wie schnell sich im 16. Jahrhundert die Kunst in den Dienst des theologischen Umbruchs stellte und daß die Lehrbilder Cranachs Teil einer großen Bewegung waren.

Hervorragende Werke sind auch im Bereich von Relief und Plastik zu sehen. Dazu gehören die beiden Statuetten von Adam und Eva aus Buchsbaum, die Conrad Meit um 1515 angefertigt haben
soll. Sie gelten als „Inbegriff deutscher Renaissance-Kleinplastik“.

Zum Ereignis wird die Ausstellung durch die weniger bekannten Gemälde aus dem Depot und vor allem die Grafik, die Cranach als einen Künstler vorstellen, der schon sehr frühzeitig seinen eigenen Weg ging. So platzierte Cranach in einem Holzschnitt von 1509 Adam und Eva inmitten einer Idylle; und beim Bild vom Sündenfall gab er der Schlange die Gestalt einer Frau und verwandelte den Erzengel in einen schimpfenden Landsknecht.

Neben den Grafiken mit den biblischen Themen sieht man auch zahlreiche farbige Drucke mit Herrscherbildnissen. Aus Cranachs Werkstatt stammen aber auch jene bösartigen Bilder, die im Kampf der Lutheraner gegen das Papsttum verbreitet wurden – der Papst als Esel, ein Mönch als mißgestaltetes Kalb. Den Bezug zur Zeit und zu den Machtverhältnissen stellen die Münzen und Medaillen her, die das Bild des bewegten 16. Jahrhunderts vervollständigen. Die Ausstellung wird zum Beweis dafür, was eine gut fundierte Sammlung aus eigener Kraft zu leisten vermag.

HNA 17. 6. 1994

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