Nachdenken über Kunst

Als Zeichner stellt sich der Grafiker, Maler und Hochschullehrer Karl Oskar Blase in der Neuen Galerie in Kassel vor.

Der Künstler Karl Oskar Blase (Jahrgang 1925) steht im Schatten des gleichnamigen Gebrauchsgrafikers. Während Blase in der Nachkriegszeit wesentliche Impulse zur Entwicklung von grafischen Erscheinungsbildern gegeben hat (Plakate, Logos, Briefmarken), vollzog sich sein künstlerisches Wirken eher in der Stille. Wohl kann der Kasseler Hochschullehrer mit einigen beachtlichen Ausstellungen zwischen Bonn und Berlin aufwarten, doch reagieren stets einige Betrachter überrascht, wenn sie sehen, welch umfangreiches Werk da auszubreiten ist. So hält auch die Präsentation seiner Zeichnungen aus den 60er sowie den letzten drei Jahren einige Überraschungen bereit.

Beide, Grafiker und Gestalter, sind nicht voneinander zu trennen. Wie der Grafiker seine besten Ideen auf der Grundlage der konstruktiven Tradition entwickelte, so bilden auch im zeichnerischen und malerischen Werk die konstruktiven Elemente das Zentrum, zu dem Blase immer wieder zurück- kehrt: rechter Winkel, Kreis und Quadrat sowie die Grundfarben Rot, Gelb und Blau. Mit diesen Bausteinen ist er groß geworden, daraus schafft er seine Welt. Doch die strenge konstruktive Komposition unterläuft er häufig durch illustrative und erzählerische Ansätze: Figuren und Köpfe im Profil, Blindtexte und gestische Strukturen. Aber auch das, was emotional scheint, ist rational gesteuert, denn der Künstler ist auch ein Kunsttheoretiker, der intensiv über Kunst nachdenkt, der zitiert und reflektiert, der Bildformen aufnimmt und weiterentwickelt.

In seinem zeichnerischen Werk schreitet Blase einen Teil jenes Bogens ab, den die Kunst unseres Jahrhunderts geschlagen hat. Gleichzeitig gelingt es ihm, in der Auseinandersetzung mit dem Vorgefundenen eine eigene Handschrift herauszuarbeiten. In den 60er Jahren waren das die etwas zu groß geratenen Figuren mit den kleinen, im Profil gezeigten Köpfen. Manchmal scheinen diese Gestalten zu laufen oder zum Flug abzuheben.

Auch in jüngster Zeit tauchen gelegentlich menschliche Gestalten und gesichtslose Profile in den Zeichnungen auf. Aber nun sind die figuralen Elemente meist eingebunden in farbige Linienstrukturen. Diese Strukturen hat Blase aus den Blindtexten abgeleitet, mit denen der Grafiker zu arbeiten gewohnt ist. Hier befreien sie sich und werden zu farbigen Geweben. Pointiert werden die beiden zeichnerischen Phasen durch die beiden Blase-Gemälde, die der Neuen Galerie gehören und die den Maler vor den Zeichner treten lassen.
HNA 13. 2. 1992

Schreibe einen Kommentar