In zwei verschiedene Richtungen

Doppelausstellung in der Kunsthalle Fridericianum

Wohin steuert die Kunst? Will man versuchen, an Hand der Doppelausstellung in der Kunsthalle Fridericianum eine Antwort zu geben, dann muss man gleichzeitig in zwei verschiedene Richtungen weisen.

Die eine bewegt sich in einer traditionellen Bahn. Die von Barbara Heinrich zusammengestellte Ausstellung „In erster Linie…“ widmet sich einem künstlerischen Medium, das häufig übersehen und unterschätzt wird – der Zeichnung. In diesem Fall werden ausschließlich Künstlerinnen vorgestellt, obwohl die Zeichnung keineswegs eine bevorzugt weibliche Ausdrucksform ist. Die hier schon vorgestellte Ubersicht über die Ausstellung wird durch einen vorzüglich gestalteten Katalog ergänzt (160 5., 22 Euro). Der Katalog nähert sich einem Künstlerbuch an, da die Zeichnerinnen die Gelegenheit nutzten, um noch neue Entwürfe und Arbeiten beizusteuern.

Deutlich erfahrbar wird die Vitalität und sich immer wieder erneuernde Kraft der Zeichnung. Sie hat auch heute keine Berührungsängste gegenüber der gegenständlichen und figürlichen Darstellung. Genauso spürt man, dass die Zeichnerinnen freier geworden sind. Sie nutzen die Freiheit einerseits, um auf anscheinend traditionellen Weise aus der Linie Figuren, Räume und Landschaften zu entwickeln; aber ebenso selbstverständlich überspringen sie den Rahmen des Bildes und übertragen die Zeichnung auf die Wand oder den Raum.

Die andere Ausstellung, die unter dem Titel „Portal 3“ Absolventen von Kunsthochschulen vorstellt, weckt den Eindruck, die Kunst verliere ihre Geschlossenheit und Verbindlichkeit, sie löse sich im Raum auf. Die von Birgit Eusterschulte konzipierte Schau präsentiert eine Folge von offenen Situationen, in denen die einzelnen Beiträge wie Vorschläge wirken. Lässt man sich näher auf die Arbeiten ein, dann erfährt man, wie schnell sich die Arbeiten verdichten. Etwa der hintergründige Beitrag von Anna Gollwitzer: Sie baut aus Satzzeichen monumentale Skulpturen und führt im Video vor, wie eine sperrige Wortskulptur eine Treppe hoch getragen wird.

Mit der Inszenierung von Kunst spielt Tina Schulz in ihrer Installation, bei der Marcel Broodthaers Pate gestanden haben mag. Vieles gibt sich beiläufig, ist in ahrheit aber komplex wie die weitläufige Installation von Yuki Jungesblut (Zonenparadox); oder wie die Arbeit von Simon Dybbroe Moller, zu der ein auf den Boden projiziertes Video gehört, in dem ein auf dem Boden spielendes Kind zu sehen ist. Es herrscht ein heiterer Ton vor. In dem einen oder andern Fall hätte man gern ein, zwei Arbeiten mehr gesehen, um sie richtig einschätzen zu können.

HNA 25. 11. 2004

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