Alle Publikationen sollen in dem Kölner Verlag erscheinen – Internationaler Vertrieb
KASSEL. Dreimal, 1992, 1997 und 2002, erschienen die Kataloge und anderen Publikationen der documenta im Cantz Verlag. Das Stuttgarter Unternehmen gilt als einer der wichtigsten und angesehensten deutschen Kunstbuch-Verlage, insbesondere für die Katalog-Produktion. Das documenta-Team unter Roger Buergel hat sich entschieden, die Zusammenarbeit mit Cantz nicht fortzusetzen und zu dem Kölner Verlag Benedikt Taschen zu wechseln.
Dieser Wechsel signalisiert eine neue programmatische Ausrichtung der documenta-Publikationen – hin zu größeren Auflagen und zu mehr Internationalität. Denn der Taschen-Verlag ist unter den Kunstbuch-Produzenten der ungewöhnlichste und der am stärksten globalisierte. Der Kölner Verlag hat Tochterfirmen in den USA, Spanien, Frankreich, Hongkong, Japan und Großbritannien sowie eigene Buchhandlungen in Berlin, Köln, Los Angeles, New York und Paris.
Das heißt: Wenn der Verlag ein Buch herausgibt, erscheint es von vorneherein in drei Sprachen. Der weltweite Vertrieb ist durch das bestehende Filialnetz gesichert. Das sind gute Voraussetzungen für die documenta, die im Vorfeld der Ausstellung (16. Juni bis 23. September 2007) noch stärker als ihre Vorgängerinnen den Dialog mit den lokalen Kunstszenen in aller Welt sucht. Wie berichtet, ist ein Netzwerk geschaffen worden, in das über 80 Zeitschriften eingebunden sind. Deren Redaktionen diskutieren vor dem Hintergrund ihrer lokalen Problematik die Leitmotive der documenta. Wenn ab Dezember die drei documenta-Zeitschriften erscheinen, in denen zentrale Beiträge dieser weltumspannenden Diskussion veröffentlicht werden sollen, kann der Taschen-Verlag mit seinem Vertriebsnetz sicherstellen, dass die Publikationen auch wirklich überall angeboten werden können.
Der andere Vorzug des Kölner Verlages ist, dass er die Adresse für preiswerte Großauflagen ist. Er hat der etablierten Konkurrenz vorgeführt, wie man das Kunstbuch vom Sockel holen und zu Niedrigstpreisen unters Volk bringen kann.
Insofern ist der 45-jährige Verleger Benedikt Taschen der außergewöhnlichste Kunstbuchverleger. Mit 18 Jahren stieg er ins Verlagsgeschäft ein, um Comics zu produzieren. Vier Jahre später hatte er seinen Durchbruch, als er die Restauflage (40 000 Stück) eines amerikanischen Magritte-Buches für 40 000 Dollar aufkaufte, um die Bände für 9,99 Mark auf den Markt zu bringen. Über das Geschäft mit Restauflagen fand er Zugang zu Kunstbuch-Produktionen. Heute gibt er billige Kunstbücher ebenso heraus wie Bände zur Erotik und Mode. Ganz gelegentlich entscheidet er sich, exklusive Bände im Großformat in kleiner Auflage herauszugeben.
Den Wechsel zu Taschen beurteilt man im Cantz Verlag gelassen. Wenn eine documenta sich neue Kunstebenen erschließen wolle, müsse sie auch andere Vertriebswege wählen, meint Cantz-Pressesprecherin Meike Gatermann auf Anfrage: „Geärgert hätte uns, wenn die documenta zur direkten Konkurrenz gegangen wäre.“
HNA 4. 7. 2006