Mehr Werke von weniger Künstlern

Erste Konturen der documenta 12 zeichnen sich ab – Gespräch mit dem Kurator Roger Buergel

KASSEL. Seit Jahrzehnten gehört es zum Ritual der documenta-Vorbereitungen, dass Journalisten möglichst frühzeitig die Namen der eingeladenen Künstler erfahren wollen, sich die künstlerischen Leiter aber in Schweigen hüllen, um erst kurz vor der Eröffnung die Künstlerliste öffentlich zu machen. Auch Roger M. Buergel, der für die Laufzeit vom 16. Juni bis 23. September 2007 die documenta 12 vorbereitet, kennt das Problem schon. Aber er hält diese Fixierung auf Namen für abwegig, zumal er auch viele Künstler nach Kassel bringen will, die in Westeuropa völlig unbekannt sind.
Um dennoch auf das Namensspiel einzugehen, hat sich Buergel, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung sagte, vorgenommen, in einer Pressekonferenz in der zweiten Februarhälfte aus der (noch nicht abgeschlossenen) alphabetischen Künstlerliste den ersten und letzten Namen zu nennen. Damit möchte er aber auch für sich diese Diskussion beenden.
Trotzdem zeichnen sich erste Konturen des documenta-Konzeptes ab. So will Roger Buergel mit dem Vorsatz Ernst machen, weniger Künstler (zuletzt waren es zwischen 100 und 120) einzuladen. Dadurch soll die Ausstellung nicht unbedingt kleiner werden, sondern Buergel will sich die Freiheit verschaffen, von jeweils einem Künstler fünf bis sechs Arbeiten zu zeigen. Das soll aber nicht in Form von in sich geschlossenen Werkschauen (Retrospektiven) geschehen. Vielmehr will der documenta-Leiter einzelne Werke und Räume jeweils im Zusammenhang mit Arbeiten anderer Künstler zeigen, die sich mit denselben Themen oder Methoden beschäftigen.
Als Beispiel nennt Buergel den Iren James Coleman, der 1997 und 2002 in der documenta mit Foto-Installationen vertreten war und dessen fotografisches Werk er in die Tradition der Malerei stellt. In einem Teil der Ausstellung könnte Coleman, so Buergel, mit einer Arbeit aus der Tradition der Konzeptkunst vertreten sein, an anderer Stelle könnte eine auf das Theater bezogene Installation zu sehen sein.
Der documenta des Jahres 2007 steht erstmals seit 1972 neben dem Museum Fridericianum wieder die komplette Neue Galerie zur Verfügung. Dieses im 19. Jahrhundert erbaute Museum muss, da es saniert und umgebaut werden soll, sowieso ausgeräumt werden. Auch den Kulturbahnhof will Buergel höchstwahrscheinlich einbeziehen. Und er denkt über einen weiteren Ort nach, damit der Kulturbahnhof nicht zum Endpunkt des Rundgangs werde.
Die documenta-Halle hält Buergel weiterhin für seine Ausstellungskonzepte für nicht geeignet. Aber sie wird allem Anschein nach wieder einmal zu einem Kommunikationszentrum werden. Dort sollen Workshops der rund 80 Künstler- und Kunstzeitschriften stattfinden, die im Vorfeld der documenta zum Austausch eingeladen wurden.
Außerdem sollen in der documenta-Halle Filme und Tanzperformances gezeigt werden sowie Vorträge und Gespräche stattfinden. Buergel will nicht das Programm „100 Tage – 100 Gäste“ von 1997 neu auflegen, aber eine ähnliche Atmosphäre könnte dort entstehen.
HNA 28. 1. 2006

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