Vor der documenta – Arbeit mit 80 internationalen Zeitschriften
KASSEL. So global wie die kommende documenta, die Roger Buergel und Ruth Noack vorbereiten, war noch keine der bisherigen Kasseler Ausstellungen ausgerichtet. Den beiden ist es gelungen, in Zusammenarbeit mit Georg Schöllhammer, den sie aus der Mitarbeit an der Wiener Zeitschrift Springerin kennen, ein weltumspannendes Netz zu knüpfen.
Catherine David streckte zwar vor der documenta X weltweit ihre Fühler aus, doch war sie der Meinung dass viele Länder und Kulturen wichtige Diskussionsbeiträge liefern würden, aber nicht unbedingt in die Ausstellung einbezogen werden müssten. Daher schuf sie die Diskussionsreihe 100 Tage – 100 Gäste.
Fünf Jahre später stellte Okwui Enwezor ein Kuratorenteam zusammen, das auf verschiedenen Kontinenten beheimatet war. Außerdem zog er mit seinen Plattformen genannten Diskussionsveranstaltungen rund um die Welt, um einen politisch-gesellschaftlichen und künstlerischen Diskurs in Gang zu setzen. Seine Ausstellung spiegelte erstmals die Kunst aller Kontinente.
Doch die Expeditionen und Kontakte des Buergel-Teams sind noch weit verzweigter. Vor allem schließen sie kulturelle und künstlerische Szenen ein, die sich in mehreren Ländern am Rande Gesellschaft oder im Untergrund bewegen. Das Medium für die Vernetzung sind, wie berichtet, Zeitschriften. Mit über 80 Redaktionen steht das Team in Kontakt. Kürzlich stellte es sein Konzept in Kassel vor. Dabei sind noch wichtiger als die Verbindungen zum Team der Kasseler Ausstellung die von der documenta veranstalteten Regionalkonferenzen. Denn in ihnen gewinnen die documenta-Mitarbeiter nicht nur einen Einblick in die lokalen und regionalen Probleme und Szenen, sondern in ihnen lernen sich die verschiedenen Gruppierungen auch untereinander kennen.
Die Folge ist, dass sich, wie Georg Schöllhammer sagt, der für das Zeitschriften-Netzwerk verantwortlich ist, die regionalen Verknüpfungen gelegentlich verselbstständigen. So hätten die angesprochenen Gruppen in Kambodscha, Vietnam und Thailand die Netzwerke gleich für sich genutzt. Als sichtbares Ergebnis der Zusammenarbeit erscheint ein Sonderheft zur Saigon-Biennale, in dem die asiatischen Gruppen ihre Mitarbeit an der documenta thematisieren.
Nur ein Bruchteil dessen, was im Laufe der weltweiten Diskussion zu den Leitmotiven der documenta 12 (Moderne, bloßes Leben, Bildung) geschrieben wird, kann in einem der drei documenta-Hefte veröffentlicht werden. Dank des Internets wird es aber einen virtuellen redaktionellen Raum geben, in dem alle Beiträge in Text- und Bildform veröffentlicht werden. So werden sich die Gruppen in einen direkten Austausch begeben können. Möglicherweise wird dadurch die Diskussion forciert, zugespitzt oder noch weiter aufgefächert.
Dieser virtuelle Redaktionsraum wird erst einmal für die allgemeine Öffentlichkeit verschlossen bleiben. Wenn aber der interne Prozess abgeschlossen ist und die drei angekündigten documenta-Hefte zu dem Zeitschriften-Projekt erschienen sind, soll der Zugang zu diesem Internetbereich geöffnet werden. Dann können, wie Buergel und Schöllhammer versprechen, Interessierte ihre eigenen Zeitschriften zu dem Projekt zusammenstellen.
HNA 31. 7. 2006