Weltweit sind Arbeitsgruppen in die Vorbereitungen zur documenta 12 einbezogen
Die Redaktion hat kaum Geld und große Probleme mit dem Vertrieb. Außerdem droht immer wieder die Zensur mit harten Eingriffen. Darüber hinaus leiden die Redaktionsmitglieder darunter, dass die in ihrem Land tonangebende Kunstkritik nicht in der Lage zu sein scheint, sich mit den politischen und wirtschaftlichen Bedingen zu beschäftigen. Trotzdem ist Malaysias jüngste Kunstzeitschrift sentAp! mittlerweile vier mal erschienen, und die Macher sind hoffnungsfroh, auch über die Grenzen ihres Landes hinaus in einen Kunstdialog eintreten zu können. Ziel der Redaktion ist es, die verengten Sichtweisen der vorherrschenden Kunstkritik aufzubrechen und zeitgenössische Kunstpraxis sowie alternative Szenen auch aus den Nachbarländern vorzustellen. Daher erscheint die Zeitschrift in Englisch. Der Name sentAp! Steht für Seni Tanpa Prejudis, was so viel bedeutet wie Kunst ohne Vorurteil.
So, wie es um die malysische Zeitschrift steht, geht es zahllosen Kunstmagazinen in Asien, Osteuropa, Afrika und Lateinamerika. Inhaltlich sind sie zwar mit den Hochglanzmagazinen vergleichbar, die in Westeuropa und Nordamerika erscheinen, doch die Rahmenbedingungen, unter denen die Redaktionen arbeiten, sind mehr als abenteuerlich. Wichtiger als die gute Organisation sind Kreativität und Improvisationskunst, denn stets geht es um die Frage, ob und wie trotz aller Hemmnisse die Öffentlichkeit erreicht werden könne. Ohne die Energie, über die auch Untergrundgruppen und magazine verfügen müssen, hätten die Zeitschriften keine Zukunft.
Eben weil die Zeitschrift sentAp! eine große Nähe zu den lokalen und regionalen Kunstszenen hat und weil sie andererseits den transnationalen Dialog sucht, gehört sie zu den rund 80 Magazinen aus aller Welt, die Roger Buergel, Ruth Noack und Georg Schöllhamer zur Vorbereitung der documenta 12 (16. 6. 2007 23. 9. 2007) zu einem globalen Gedankenaustausch einluden. Dass das documenta-Team sich dafür die Zeitschriften als Plattform aussuchte, hat damit zu tun, dass Schöllhammer und Buergel als gemeinsame Heimat die Wiener Zeitschrift Springerin haben. Sie ist der Ort, von dem aus die weltweit gezogenen Fäden zu Kunst-, Foto- und Architekturzeitschriften verknüpft wurden.
Vier Ziele verfolgt die Vernetzung:
1) Im Austausch mit den Redaktionen will das documenta-Team überprüfen, was die drei Leitmotive (Ist die Moderne unsere Antike?, Was ist das bloße Leben? Was tun?) in den jeweiligen regionalen und lokalen Kontexten bedeuten.
2) Durch die Diskussionen in und mit den Redaktionen, in denen viele Kritiker zugleich Künstler und Kuratoren sind, soll ein Austausch in Gang gesetzt werden. Um diesen Prozess voranzutreiben, wurden auf allen Kontinenten regionale Konferenzen angesetzt, an denen Noack, Buergel oder Schöllhamer für die documenta sowie die Zeitschriften-Redaktionen teilnahmen. Gleichzeitig wurde im Internet eine globale Diskussionsebene eingerichtet, die zur Eröffnung der Ausstellung im kommenden Jahr freigeschaltet werden soll.
3) Da für Buergel die gute Vermittlung der Ausstellung und ihrer Voraussetzungen ein zentraler Punkt ist, sollen ab Dezember/Januar bis zum Juni drei documenta-Magazine erscheinen, die den Besuchern der Ausstellung Einblicke in die Diskussionsprozesse geben und den Zugang zur documenta 12 erleichtern sollen.
4) Außerdem haben Buergel und Noack diese weltweiten Kontakte genutzt, um mit Hilfe der jeweils lokalen Sichtweisen auch Künstler kennen zu lernen, die nicht zur offiziellen Szene gehören.
Georg Schöllhammer hatte schon in früheren Publikationen die Meinung vertreten, dass angesichts der Globalisierungstendenzen in der Kunst die lokalen Eigenheiten und Differenzen nicht übersehen werden dürften. Die Diskussionen haben nach Einschätzung des documenta-Teams diese Position bestätigt. Zum einen zeigt sich, dass bestimmte Fragen in verschiedenen Ländern in gleicher Weise gestellt werden, doch zu unterschiedlichen künstlerischen Reaktionen führen können. Zum anderen gibt es nach wie vor gesellschaftliche und kulturelle Probleme, die nur einzelne Regionen betreffen.
Bereits bei der Vorbereitung seiner Ausstellung zur Regierung in Barcelona hatte Buergel die Zusammenarbeit mit lokalen Gruppen erprobt. Dieses Modell brachte er nach Kassel mit, um dort ebenfalls im Vorfeld der Ausstellung ein lokales Gesprächsforum einzurichten. Er griff dabei auf das 1978 gegründete Kulturzentrum Schlachthof zurück, das zu den ältesten soziokulturellen Einrichtungen in Deutschland gehört. Dort wird Jugend- und Bildungsarbeit ebenso betrieben, wie hochwertige musikalische Veranstaltungen (Weltmusik) und Vereinsräume für Exilgruppen angeboten werden.
In dem Kulturzentrum trifft sich nun seit gut einem Jahr eine 40-köpfige Gruppe, in der Schlachthof-Mitarbeiter vertreten sind, die Erfahrungen in der soziokulturellen Arbeit mit Migranten Erfahrung haben, außerdem Stadtplaner und Angehörige der Universität sowie andere Kasseler Bürger. Auch dieser Ausstellungsbeirat diskutiert die documenta-Leitmotive und bringt eigene Aspekte in die Gespräche ein. Zudem nutzen Buergel und Noack das Forum, um lokale Vermittler für ihr Ausstellungskonzept zu gewinnen.