Die sieben Gesichter der documenta seit 1955

Arnold Bode (1900 – 1977) gilt als der Vater der documenta. Der Maler, Ausstellungsgestalter und Kunstprofessor hatte bereits in den 20er-Jahren wegweisende Ausstellungen in Kassel mitorganisiert. 1955 nutzten er und seine Freunde die Bundesgartenschau, um im Museum Fridericianum die erste documenta zu organisieren, die die Kunst der Moderne seit 1900 vorstellte. Bode blieb bis 1968 (documenta 4) maßgeblicher Organisator. Harald Szeemann war als Generalsekretär der documenta 5 (1972) der erste Ausstellungsmacher, der von außen kam. Seine Ausstellung rief heftigste Kritik hervor, wird heute aber als der Höhepunkt in der Geschichte der Kasseler Ausstellung gewürdigt. Ihm gelang es mit seinem Team, die verschiedenen Bildwelten zu konfrontieren. Er verhalf der neuen Künstlergeneration um Richard Tuttle, Joseph Beuys und Mario Merz zum Durchbruch. Manfred Schneckenburger musste zwei Mal den Verantwortlichen aus der Verlegenheit helfen. Ihm wurde die Leitung der Ausstellungen von 1977 und 1987 übertragen, nachdem andere im Streit aufgegeben hatten. Die documenta6 (1977) setzte Maßstäbe, indem sie der Fotografie als Kunst und dem Video gleichberechtigte Plätze sicherte. Unvergesslich sind auch die Skulpturen im Park geblieben. Die documenta8 (1987) setzte die Linie fort. Rudi Fuchs war nach dem Schweizer Harald Szeemann der zweite Ausländer an der documenta-Spitze. Der Holländer propagierte 1982 den Rückzug ins Museum. Dabei stand für ihn die Malerei im Mittelpunkt. Trotzdem eroberte die Ausstellung die Stadt: Claes Oldenburg stellte am Fuldaufer seine Skulptur Spitzhacke auf, und der Künstler Joseph Beuys leitete seine weltweit einzigartige Aktion 7000 Eichen ein. Jan Hoet inszenierte 1992 die ausgreifendste documenta. Dem Belgier ging es darum, die Vielfalt der Ausdrucksformen zu spiegeln. Er gilt als derjenige, der die Ausstellung als großes Erlebnis bislang zum letzten Mal organisierte. Hoet bezog erstmals Künstler ein, die nicht dem westeuropäisch-amerikanischen Kulturraum angehören. Als Erinnerung ist die Skulptur Man walking to the Sky (Himmelsstürmer) in Kassel geblieben. Catherine David war 1997 die erste Frau an der Spitze. Nach der als Jahrmarkt kritisierten Ausstellung von Hoet vollzog die Französin eine Kehrtwendung. Ihrem Konzept lag eine kulturkritische Fragestellung zugrunde. Neben die klassische Bildende Kunst stellte sie gleichberechtigt Fotografie und Film, aber auch Literatur. Ein Höhepunkt ihres viel kritisierten Konzepts war die Vortrags- und Diskussionsreihe 100 Tage 100 Gäste. Okwui Enwezor, Gast der Vortragsreihe von David, knüpfte an ihren politisch-kritischen und kulturtheoretischen Ansatz an und lud erstmals Künstler aus der nicht-westlichen Welt konsequent ein. Ihm gelang die Umsetzungen seiner Ideen auf anschauliche Weise. Seiner Documenta11 (2002) kam zugute, dass er in der ehemaligen Binding-Brauerei ideale Räume in Ergänzung zum Fridericianum und Kulturbahnhof fand.
HNA 4. 12. 2003
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