Erste Spekulationen um Künstlerliste

Eine Liste mit 39 Namen von Künstlern, die zur Documenta 11 eingeladen werden könnten, hat die Kunstzeitung veröffentlicht. Kommentar der Ausstellungsleitung: 28 Namen sind falsch.

KASSEL Das Spiel ist vertraut und hat fast rituellen Charakter: Seit Rudi Fuchs im Vorfeld der documenta 7 (1982) entschied, kein Ausstellungskonzept zu veröffentlichen und die Künstlerliste möglichst lange geheim zu halten, begann alle fünf Jahre der Wettlauf um die Ehre, als erster mit den Namen auf den Markt zu kommen. Je hartnäckiger das documenta-Team die Liste verweigerte, desto verbissener waren die Versuche, das Geheimnis zu lüften. Am geschicktesten verfuhr Jan Hoet, der alle, die es wissen wollten, mit einer solchen Flut von Namen und Dias überschüttete, dass am Ende niemand wusste, wo er sicheren Boden betrat. Catherine David hingegen antwortete unwillig, wenn sie Künstler nennen sollte, und wich lieber zu Beispielen aus dem Film und der Literatur aus. Und Okwui Enwezor, der für nächsten Sommer die Documenta 11 vorbereitet, verstand es bisher, durch freundliches Abwinken und gesellschaftlich-kulturelle Überlegungen die Wissbegierigen ruhig zu stellen. Nun hat allerdings einer den ersten Vorstoß gewagt. Karlheinz Schmid hat in seiner monatlich (kostenlos) erscheinenden Kunstzeitung die ersten 39 Namen von A bis K veröffentlicht. Im September will er die Liste bis Z vervollständigen. Allerdings weiß er selbst, dass er sich bloß im Bereich der Spekulation bewegt. Dementsprechend stellt er die Künstlernamen selbst mit einem Augenzwinkern vor, hat hinter manche ein Fragezeichen gesetzt und veröffentlicht das Ganze ohne Gewähr. Im Kasseler Büro der Ausstellungsleitung betrachtet man die Veröffentlichung mit Gelassenheit. 28 der Namen seien falsch, heißt es. Das bedeutet immerhin eine Trefferquote von rund 30 Prozent. Doch welche Namen sind richtig? Und wie ist Schmid auf die Namen gekommen? Er hat nach Künstlerinnen und Künstlern Ausschau gehalten, die sich im interkulturellen Dialog befinden und in den jüngsten Biennalen eine Rolle spielten. So nennt er Ghada Amer, Ayse Erkmen und Mona Hatoum, deren Arbeiten in Echolot in der Kunsthalle Fridericianum zu sehen waren. Dann tippt er auf bewährte documenta-Künstler, die seiner Ansicht nach in Enwezors Konzept passen: Jimmie Durham, Robert Gober, Dan Graham, Ingo Günther, Hans Haacke, David Hammons und William Kentridge. Schließlich nennt er Namen aus dem afro-amerikanischen Raum wie Jane Alexander, Fareed Armely, Oladélé Bamgboyé, Candice Breitz, Andrea Fraser, Anna Gaskell, Kendell Geers, David Goldblatt, Kay Hassan, Seydou Keita und Bodys Kingelez. Weiterhin auf der Liste stehen: Matthew Barney, Vanessa Beecroft, Stefano Boeri, Cosima von Bonin, Sophie Calle, Maurizio Cattelan, James Coleman, Hanne Darboven, Thomas Demand, Ann Demeulemeester, Parastou Forouhar, Katharina Fritsch, Renée Green, Victor Grippo, Michael Hardt, Isaac Julien, Rachel Khedoori und Alexander Kluge. Dass Kluge sowie andere Regisseure des gesellschaftskritischen Kinos im Rahmen der Documenta 11 dabei sein werden, ist seit Mai bekannt. Da wurde zur Plattform in Neu Delhi ein Video- und Filmprogramm (Experimente mit der Wahrheit) präsentiert, das auch nächstes Jahr zur Documenta 11 gezeigt werden soll. Als sicher gilt auch, dass der Belgier Luc Tuymans in der Documenta 11 vertreten sein wird. Jan Hoet hatte Tuymans bereits 1992 in Kassel vorgestellt. In diesem Jahr erhielt der Malerden belgischen Pavillon in der Biennale von Venedig, wo er seine eindrucksvolle Bilderserie zum Ende der Kolonialzeit im Kongo zeigt.
HNA 22. 8. 2001

Schreibe einen Kommentar