Die Ausstellung zählt als Ganzes

Mit Referaten von Ute Meta Bauer und Sarat Maharaj aus dem Team der Documenta 11 begann in der Kunsthochschule Kassel die Reihe der öffentlichen Vorträge zur am 8. Juni beginnenden Ausstellung.

KASSEL Seit zwei Jahrzehnten gehört zum Ritual der documenta-Vorbereitung, dass die künstlerische Leitung erst kurz vor Ausstellungsstart Einblicke in ihr Konzept und ihre Künstlerliste zulässt. Aber kein anderes documenta-Team konnte seine Arbeit so konsequent in der Stille vorantreiben, ohne dabei in die öffentliche Kritik zu geraten, wie die Mannschaft um Okwui Enwezor. Nach offizieller Sprachregelung hat die Documenta 11 vor knapp einem Jahr in Wien mit der Plattform 1 begonnen. Auch weiß man jetzt, dass der Diskussionsprozess der Plattformen zu Demokratie, Gerechtigkeit, Kreolisierung und Fremdbestimmung direkt zur Ausstellung führen soll. Trotzdem können sich die wenigsten vorstellen, wie die Verknüpfung von politisch-gesellschaftlicher Diskussion und Präsentation der Kunstwerke aussehen wird. Daher konnte es nicht überraschen, dass die Eröffnungsveranstaltung einer Vortragsreihe in der Kunsthochschule Kassel, die in erster Linie für die rund 100 auszubildenden Documenta11-Führer gedacht ist, zum Publikumsmagneten wurde. Wer aber darauf gehofft hatte, an dem Abend würde ein wenig der Vorhang gelüftet, würden Einblicke in die Ausstellung oder ihre Struktur gegeben, sah sich getäuscht. Ute Meta Bauer machte ein paar allgemeine Angaben zur documenta-Geschichte, zu den Problemen des Ausstellungmachens sowie zu den Plattformen. Kunst und Wissen Im Vergleich dazu war der Vortrag von Sarat Maharaj schon substanzieller. Er ging auf die Wechselbeziehung von Kunst- und Wissensproduktion ein, erörterte die Veränderungen in der Kunst nach dem Ende der Moderne und warb für ein Verständnis einer offenen Kunst-Entfaltung, ohne die überstrapazierten Begriffe wie Kunst als Prozess oder experimentelle Kunst übernehmen zu wollen. Was ergibt sich daraus für die Documenta 11? Die beiden Kuratoren sind sich sicher, dass die Plattformen zur Frage von Demokratie, Gerechtigkeit und Gewalt nicht nur den Hintergrund bilden, vor dem die Ausstellung stattfindet. Die Documenta 11 werde für alle Formen der Kunst offen sein, sofern sie den kritischen Diskurs beinhalten. Das heißt, dass bei der Auswahl der Werke die inhaltlichen Aspekte eine zentrale Rolle spielen werden. Ute Meta Bauer sagte dies in der abschließenden Diskussion, in der es überhaupt zu einigen konkreteren Aussagen kam. Die Kuratorin hatte zu Beginn der Veranstaltung daran erinnert, dass mit der kommenden Ausstellung die documenta erstmals die Kunst weltumspannend in den Blick nehme. Das heiße für die Kuratoren und die Besucher, dass sie sich auch mit anderen Kulturbegriffen auseinander setzen müssten. Nach Meinung von Ute Meta Bauer geht es darum, auch in der Großausstellung die Intimität des einzelnen Kunstwerks zu bewahren, ohne es möglicherweise als exotisch erscheinen zu lassen. Da das nicht bei allen Werken gelinge, müsse man in dem einen oder anderen Falle darauf verzichten, eine Arbeit nach Kassel zu holen. Demnach wird es nach Ute Meta Bauer in der Ausstellung auch Fehlstellen geben, weil nicht jedes Werk an jedem beliebigen Ort zu zeigen sei. Zwar ist für sie klar, dass die künstlerischen Beiträge um ihrer selbst willen gezeigt werden, doch ebenso sei es möglich, dass die eine Arbeit für ähnliche Schöpfungen stehe. Entscheidend sei die Frage: Was sagt die Ausstellung als Ganzes? In diesem Zusammenhang wurde nochmals die überragende Rolle derjenigen deutlich, die die Auswahl treffen und Ausstellungsstruktur schaffen, nämlich der Kuratoren. Sie begreifen sich, wie wiederholt gesagt wurde, als diejenigen, die zum Verständnis der Kunst beitragen, die übersetzen. Im ersten Block der Reihe thinking and doing Documenta 11 folgen zwei Veranstaltungen im Hörsaal der Kunsthochschule Kassel: Heute spricht um 15 Uhr Françoise Vergès über Creolité und Kreolisierung. Am Freitag, 8. Februar, 18 Uhr, referiert Abdul Maliq Simone über die Plattform 4. Weitere Blöcke: 4. bis 10. März, 15. bis 20. April, 6. bis 12. Mai. www.documenta.de
HNA 6. 2. 2002
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