Zwischen Fläche und Raum

Der in Hagen lebende Maler Emil Schumacher wird heute 85 Jahre alt. Seit vier Jahrzehnten gehört er zu den überragenden Figuren der deutschen Kunstszene.

Ihm ist das große Glück einer schier unerschöpflichen Begabung beschieden. Wenn Emil Schumacher in den letzten Jahren auf Kunstmärkten und in Ausstellungen atelierfrische Bilder präsentierte, dann waren das stets Gemälde von fast jugendlicher Vitalität. Sie wiederholten nichts, sondern zeugten von einer fortdauernden Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Dieser Emil Schumacher vollendet heute sein 85. Lebensjahr.
Schumachers Werk ist Geschichte. 1959 und 1964, als die documenta die abstrakte Kunst zur Weltsprache der Moderne erklären wollte, waren seine Bilder in Kassel zu sehen. Emil Schumacher gilt als der Nestor der abstrakten Malerei in Deutschland, wobei wohl die Einflüsse der französischen informellen Malerei genauso wichtig waren wie die Auseinandersetzung mit dem abstrakten Expressionismus amerikanischer Prägung.

Das erste, wovon seine Bilder erzählen, ist die Lust am Umgang mit der Farbe. Schichtenweise trägt Schumacher die Farben auf, läßt sie sich überlagern und durcheinander laufen. Der Maler schafft auf der Leinwand ein Chaos, aus dem dann Farbkörper als prägende Formen hervortreten können. Emil Schumacher hat der Farbe in vielen seinen Gemälden zum Relief- und Objektcharakter verholfen und so eine fruchtbare Spannung zwischen Fläche und Raum entstehen lassen. Die Farbe ist bei ihm nicht mehr die einer Form zugewiesene Oberflächeneigenschaft, sondern sich selbst genügendes Material.
Im Laufe der Jahre hat der Maler viele Wege beschritten. Lange wirkten seine Gemälde erdig und dunkel. In den letzten Jahren wurden die Bilder deutlich heller, und die Anklänge der Kompositionen an Landschaften und Mythen traten erkennbarer hervor. So nehmen die in den 90er Jahren entstandenen Bilder, die er vor über einem Jahr in der Neuen Galerie in Kassel zeigte, Motive der Höhlenmalerei auf. Unversehens ist der Meister der abstrakten Komposition in seinen jüngsten Arbeiten zum Gegenstand und zur Erzählung zurückgekehrt.

HNA 29. 8. 1997

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